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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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allein war; vielleicht wollte sie auch wirklich lieber allein sein. Lady Montdore zeigte sich nicht mehr, aber Lord Montdore unterhielt sich mit Davey und beglückwünschte ihn zu seiner kürzlich erschienenen Anthologie In Krankheit und Gesundheit . Ich hörte, wie er sagte, seinem Eindruck nach enthalte der Band nicht genug von Browning, aber davon abgesehen würde er ganz ähnlich gewählt haben.
    »Aber Browning war so gesund«, wandte Davey ein. Der Schwerpunkt des Buches liege auf der Krankheit.
    Ein Lakai reichte Champagner. Ich setzte mich mit Tante Sadie, und wir blätterten, wie es in Hampton seltsamerweise immer geschah, ausführlich im Tatler , im Sketch und im Bystander , und Polly brauchte so lange, dass ich sogar noch zu Country Life kam, bevor sie auftauchte. Durch den Nebel aus Frohsinn und Munterkeit, in den mich all die Frauen von Baronets samt ihren Kindern, ihren Hunden, ihren Tweedsachen, ihren Wohnsitzen und ihren großen Gesichtern – die Haarwelle über der Stirn von einer Diamantenspange gehalten – hüllten, bemerkte ich doch, dass die Atmosphäre in der Langen Galerie wie schon zuvor in der Kapelle von Verlegenheit und Betrübnis erfüllt war. Ich sah, wie Boy wieder auftauchte, einen verwirrten Blick nach dem zerfetzten Kaminschirm mit dem Loch darin warf, und wie er uns den Rücken zuwandte und aus dem Fenster starrte, als ihm klar wurde, was da geschehen war. Niemand sprach ihn an. Nachdem das Thema der Anthologie erschöpft war, nippten Lord Montdore und Davey schweigend an ihrem Champagner.
    Schließlich kam auch Polly, sie trug ihren Nerz vom letzten Jahr und einen winzigen braunen Hut. Die Wolke aus Tüll war zwar verflogen, aber die Wolke aus Freude umhüllte sie noch immer. Polly war kein bisschen verlegen, umarmte ihren Vater, küsste uns alle, auch Davey, nahm dann Boy beim Arm und führte ihn zur Eingangstür. Wir folgten ihnen. Mit traurigen Gesichtern, die älteren schniefend, hatten sich die Dienstboten in der Vorhalle versammelt. Polly nahm Abschied von ihnen, ließ sich ein wenig halbherzig von dem jüngsten Hausmädchen mit etwas Reis bewerfen und stieg dann mit Boy, der ihr sehr halbherzig folgte, in den großen Daimler und fuhr davon.
    Wir verabschiedeten uns höflich von Lord Montdore und machten uns ebenfalls auf den Weg. Als wir die Auffahrt entlangfuhren, sah ich noch einmal zurück. Die Lakaien hatten die Haustür schon wieder geschlossen, und das schöne Hampton lag zwischen dem fahlen Frühlingsgrün seiner Rasenflächen und dem fahlen Frühlingsblau des Himmels wie verlassen da, leer und trostlos. Die Jugend hatte ihm den Rücken gekehrt, es wohnten jetzt hier nur noch zwei einsame alte Menschen.

Zweiter Teil

1
    Jetzt begann auch mein wirkliches Leben als Ehefrau, ich meine das Leben mit meinem Mann in unserem eigenen Haus. Eines Tages fuhr ich nach Oxford, und ein Wunder war geschehen. Alle Wände meines Hauses waren tapeziert, und es war genau die Tapete, die ich ausgesucht hatte, sie sah noch hübscher aus, als ich erwartet hatte. Der Geruch nach billigen Zigaretten, Zement, zu starkem Tee und moderndem Holz hatte sich verzogen, und es duftete himmlisch nach frischer Farbe und Sauberkeit, die Dielenbretter waren glatt und stabil und die Fenster so sauber, als säßen keine Glasscheiben darin. Ein herrlicher Tag – der Frühling war gekommen, mein Haus war fertig und ich so froh, dass es sich gar nicht sagen ließ. Wie um diese Freude zu besiegeln, war die Frau eines Professors dagewesen und hatte ihre Karte sowie die beiden Karten ihres Mannes hinterlassen – die Handwerker hatten sie sorgfältig auf einen Kaminsims gestellt: Professor und Mrs Gozens, 209 Banbury Road. Endlich war ich eine wirklich erwachsene, verheiratete Dame, bei der Leute vorsprachen, um ihre Karten zu hinterlassen. Es war sehr aufregend.
    Ich hatte damals eine romantische, aber nichtsdestoweniger sehr genaue Vorstellung davon, wie das Leben in Oxford sein würde. Ich dachte es mir als eine Gemeinschaft von reizenden, emsigen, kultivierten Leuten, die sich durch gemeinsame geistige Vorlieben und ihren tätigen Einsatz für die ihnen anvertrauten jungen Menschen miteinander verbunden fühlten. Die anderen Dozenten- und Professorengattinnen dachte ich mir als schöne, ruhige, in allen weiblichen Künsten außer der Koketterie bewanderte Frauen, ein wenig ausgelaugt von der Mühe, das eigene Heim vollkommen wohnlich zu machen, gleichzeitig eine große Schar kluger Kinder großzuziehen

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