Liebe unter kaltem Himmel
ist ihrem Wesen nach mönchisch, und in der Sphäre der Geselligkeit sind Frauen einfach überflüssig.
Ich hätte mir Norma Cozens nicht als gute Freundin aussuchen sollen, aber ich glaube, ihre Gesellschaft war mir damals immer noch lieber, als die vielen Stunden allein zu verbringen, und bei Lady Montdore wehte zumindest ein wenig Luft herein, die man zwar nicht als frisch bezeichnen konnte, die aber immerhin aus der großen Welt außerhalb unseres Klosters kam, aus einer Welt, in der Frauen nicht nur zum Bettenmachen da waren.
Auch der Horizont von Mrs Cozens reichte über Oxford hinaus, wenn auch in eine andere Richtung. Ihr Mädchenname war Boreley, und die Familie Boreley kannte ich sehr gut, denn das Haus ihres Großvaters im elisabethanischen Stil von 1890 stand nicht weit von Alconleigh entfernt. Sie waren die Neureichen in der Umgebung. Dieser Großvater, der jetzige Lord Driersley, hatte sein Geld im Ausland mit Eisenbahnen verdient, er hatte in den Landadel geheiratet und eine ausgedehnte Familie hervorgebracht, deren Angehörige sich, sobald sie erwachsen und verheiratet waren, allesamt in einer mit dem Auto leicht zu überwindenden Entfernung von Driersley Manor ansiedelten; auch sie vermehrten sich stark, sodass sich inzwischen eine unübersehbare Menge von Vettern, Tanten, Onkeln, Brüdern und Schwestern sowie angeheirateten Verwandten über weite Gebiete des englischen Westens verteilt hatte. Die Unterschiede zwischen ihnen waren gering; sie alle hatten das gleiche mucksige Aussehen von weißen Meerschweinchen, sie hegten ähnliche Ansichten und führten ein ähnliches Leben, ein Leben auf dem Lande, im Zeichen von Sport und Jagd, und nur selten begaben sie sich nach London. Die Nachbarn zollten ihnen Respekt für den willigen Gehorsam, mit dem sie alles taten, was die Mode des Tages gerade vorschrieb, für ihre Moral, ihren Reichtum und ihre hervorragenden Leistungen in allen möglichen Sparten körperlicher Ertüchtigung. Bei Gericht und im Grafschaftsrat, oder auch wenn es um das Abrichten von Jagdhunden oder die Organisation einer Pfadfinderinnengruppe ging, taten sie alles, was von ihnen erwartet wurde; einer von ihnen saß im Unterhaus, ein anderer war Master of the Foxhounds . Kurz, sie waren starke Stützpfeiler des ländlichen England. Onkel Matthew, der ihnen bei Geschäften in der näheren Umgebung zuweilen begegnete, verabscheute sie alle, und unter dem einen ihnen allen gemeinsamen Namen Boreley zusammengefasst, lagen sie in vielen seiner Schubladen. Warum, das habe ich nie herausgefunden. Aber genau wie Gandhi, Bernard Shaw und Labby der Labrador lebten sie und gediehen prächtig, und nie kam es zu einem großen Boreley-Sterben.
Meine ersten gesellschaftlichen Erfahrungen als Frau eines jungen Dozenten in Oxford machte ich bei einer Dinnerparty, die die Cozens zu meinen Ehren gaben. Der Waynflete-Professor für Pastoraltheologie war der Dekan für Alfreds Fach und deshalb für unser Leben und Alfreds Karriere von einiger Wichtigkeit. Ich verstand das, auch ohne dass Alfred es mir ausdrücklich erklärte. Ich gab mir ohnehin alle Mühe, meinen ersten Auftritt in Oxford erfolgreich zu bestehen, wollte unbedingt gut aussehen, einen guten Eindruck machen und meinem Mann zur Ehre gereichen. Meine Mutter hatte mir ein Abendkleid von Mainbocher geschenkt, das mir wie geschaffen schien für diesen Anlass, ein weißer Faltenrock aus Chiffon und ein Oberteil aus schwarzem Seidenjersey mit hohem Kragen und langen Ärmeln, das in einem breiten schwarzen Lackledergürtel steckte. In diesem Kleid und versehen mit meinem einzigen Schmuckstück, einer Diamantenspange, die mir mein Vater geschickt hatte, kam ich mir nicht nur gut, sondern auch angemessen gekleidet vor. Gegen Lady Montdores Vorschlag, er solle mir ein Amt kaufen, hatte sich mein Vater übrigens taub gestellt und erklärt, er stehe so schlecht da, dass er nach meiner Heirat nicht einmal seine Zuwendungen an mich erhöhen könne. Immerhin hatte er einen Scheck und diesen hübschen Schmuck geschickt.
Das Haus der Cozens war nicht der Laune eines Adeligen entsprungen. Es war Banbury Road vom Schlimmsten, deprimierend, mit Rhododendronsträuchern im Vorgarten. Die Tür wurde uns von einer Schlampe geöffnet. Ich hatte noch nie eine Schlampe gesehen, erkannte die Gattung aber ohne Schwierigkeiten, kaum dass ich dieses Exemplar zu Gesicht bekommen hatte. In der Vorhalle gerieten ich, Alfred und die Schlampe dann mit einem großen
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