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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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vornehm zu tun.«
    Plötzlich packte mich der Zorn. Ich wusste um Lady Montdores Fehler, ich wusste, was für eine klägliche Figur sie in vieler Hinsicht abgab, aber es gefiel mir nicht, dass Leute, die ihr noch nie begegnet waren und nichts aus erster Hand über sie wussten, so von ihr sprachen. Es kam mir vor, als täten sie es nur aus einem nebelhaften Gefühl von Eifersucht, als brauchte Lady Montdore nicht bei jeder von ihnen ihren Charme nur ein wenig spielen zu lassen – und schon wären alle diese Frauen vor ihr im Staub gekrochen.
    »Wie ich höre, gab es auf der Hochzeit eine grässliche Szene«, sagte die Dozentenfrau, deren Daddy einen indischen Richter kannte. »Sie schrie und heulte und bekam einen hysterischen Anfall.«
    »Nein, das stimmt nicht«, sagte ich.
    »Wieso, woher wissen Sie das?«
    »Ich war dabei.«
    Sie sahen mich neugierig und ziemlich verärgert an, so, als hätte ich schon früher etwas sagen sollen, und wechselten rasch über zu den ewigen Problemen, Kinderkrankheiten und Missetaten des Personals.
    Den vornehmen, nachdenklichen, intellektuellen Frauen aus meinem Traum von Oxford, falls es sie gab, würde ich hoffentlich auf meiner nächsten Dinnerparty begegnen.
    Danach fand Norma Cozens aus irgendeinem Grund Gefallen an mir und kam während der weiten Spaziergänge, die sie täglich mit ihren Borderterriern unternahm, oft vorbei. Ich glaube, sie war die mürrischste Person, die mir je begegnet ist, nichts war ihr recht, und ihre Unterhaltung, die aus einer einzigen Kette von Ermahnungen, Ratschlägen und kritischen Bemerkungen bestand, spickte sie mit wütenden Seufzern. Aber sie war keine böse alte Frau, sondern im Grunde ihres Herzens durchaus gutmütig, und sie erwies mir oft kleine Liebenswürdigkeiten. Im Laufe der Zeit wurde sie unter den Dozentenfrauen meine beste Freundin; sie war zumindest natürlich, spielte sich nicht auf und erzog ihre Kinder auf eine ordentliche Art und Weise. Unausstehlich fand ich dagegen die künstlerisch ambitionierten Frauen mit ihren modernen Vorstellungen und ihren ungezogenen Kindern, um deren Erziehung und Sauberkeit sich nie eine Nanny gekümmert hatte. Norma gehörte zu einem Typus von Frau, der mir vertrauter war, sie war eine Frau vom Lande, die sich vielleicht nicht so recht in die Akademikerkreise fügte, die aber keinen Unsinn im Kopf und bestimmt nichts Gehässiges an sich hatte. Sie war, wie sie war, ein selbst ernannter Teil meines neuen Lebens, und ich akzeptierte sie.

2
    Schwieriger und anstrengender war die Beziehung, die sich nun zwischen mir und Lady Montdore entwickelte. Sie suchte mein Haus zu sehr viel seltsameren und unpassenderen Zeiten heim als Norma (die in diesen Dingen sehr konventionell war) und ging daran, mich zu ihrer Hofdame zu machen. Es war ganz leicht; niemand hat meine Willenskraft je so untergraben wie sie, und genau wie Lord Montdore, aber anders als Polly, war ich völlig in ihrer Gewalt. Sogar Alfred blickte für einen Moment von seiner Pastoraltheologie auf und sah, was da vor sich ging. Meine Haltung sei ihm unbegreiflich, sagte er, sie mache ihn ungeduldig.
    »Du magst sie eigentlich doch gar nicht, immerzu beklagst du dich über sie, warum lässt du nicht einfach sagen, du seiest ausgegangen, wenn sie kommt?«
    Ja, warum eigentlich nicht? Es war so, dass ich den körperlich spürbaren Schrecken, den Lady Montdore mir schon als Kind einflößte, nie überwunden hatte; zwar hatte ich sie mit dem Verstand durchschaut, aber dieses Wissen hatte keine Auswirkungen; zwar war das Götterbild von seinem Sockel gekippt, der Stierkämpfer steckte wieder in seinem Straßenanzug, und sie hatte sich als eine egoistische alte Frau entpuppt, aber dennoch empfand ich vor ihr eine ehrfürchtige Scheu. Als Alfred meinte, ich solle mich verleugnen lassen, wenn sie käme, wusste ich, dass ich nicht dazu imstande sein würde.
    »O nein, Liebling, ich glaube, das brächte ich nicht fertig.«
    Er zuckte mit den Achseln und sagte nichts weiter. Er versuchte nie, mich zu beeinflussen, und nur sehr selten sagte er etwas über die Art und Weise, wie ich mich verhielt und mein Leben einrichtete. Er schien es ohnehin kaum wahrzunehmen.
    Lady Montdore überfiel mich meist ohne Vorwarnung, wenn sie auf dem Weg nach London war oder von dort zurückkehrte oder wenn sie zu einer Einkaufstour nach Oxford kam. In diesem Fall musste ich sie begleiten und ihr beim Abholen und Tragen und beim Abhaken ihres Einkaufszettels helfen. Für ein

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