Liebe wird oft überbewertet
Glasvitrine einer norddeutschen Fischkette vertieft, blickte im allerletzten Moment hoch und grüßte gespielt traumverloren. Auch er winkte nur knapp und verhuscht und ging schnell weiter. Beide waren froh, nicht miteinander reden zu müssen. Sie aber war fortan geheilt von dem Glauben an die Liebe auf den ersten Blick samt eingebauter Seelenverwandtschaft. Sie fand, was sie eigentlich gesucht hatte, bei einer guten Freundin, einem Hund und einem Patenkind und gelangte endlich mit über vierzig zu der Erkenntnis, dass ihr vielleicht schon einiges fehlte im Leben, aber bestimmt nicht ein Mann an ihrer Seite.
Der Mythos von der Liebe – wer ist schuld?
Am Anfang war das Feuer, dann kam die bürgerliche Familie
Wer hat mit dem Liebes-Unsinn angefangen? Wem haben wir das Elend zu verdanken? Der moderne Biologismus will uns zwar einreden, dass im Urmenschen schon alles angelegt war, aber über die romantische Zweierbeziehung zwischen Neandertalern ist wenig bekannt. Außer natürlich im Film, da wird im Dienste des RZB -Zwangs sogar Urgeschichtsfälschung betrieben.
Im Film »Am Anfang war das Feuer« von dem französischen Regisseur Jean-Jacques Annaud ( 1982 ) wird über das harte Leben der Urmenschen im Jahr 80 000 vor unserer Zeit berichtet. Für den Film wurde eigens eine Urmenschensprache aus etwa zweihundert Grunzlauten konstruiert, und auch sonst lernt man viel über das harte Leben unserer Vorfahren. Sie haben es nicht leicht: Kälte, Ungeziefer, Mammuts, aggressive Säbelzahntiger, Überfälle von Homo erectussen, und dann geht auch noch das Feuer aus, und sie wissen nicht, wie man neues macht. Zum Glück trifft die Horde auf Ika, sie ist schon hübscher geschminkt und kommt aus einem höher entwickelten Stamm. Sie zeigt ihrer neuen Clique die Technik des Feuerbohrens, klärt sie aber auch über andere menschliche Errungenschaften wie die Schadenfreude und die Missionarsstellung auf. Zum Schluss entdeckt sie mit einem anderen wüsten Hordenmann sogar das Gefühl der Liebe, und damit machen sie natürlich einen großen Schritt in der menschlichen Evolution. Das heißt, sie sitzen auf einem Felsen, starren romantisch den Mond an, die Kamera geht auf den gewölbten Bauch des Urmenschenmädchens, und eine grobe behaarte Neandertalerhand legt sich schützend auf den schwangeren Bauch. Eine Geste, die die Urmenschin arg freut, dankbar blickt sie ihrem haarigen Gefährten tief in die Augen. Ein wahres Happy End.
Platons Kugelmenschen
Wie an vielen kulturellen Missverständnissen tragen auch an dem Mythos von der Liebe auf den ersten Blick die alten Griechen eine große Mitschuld. Der Mythos von der Seelenverwandtschaft, das Gefühl, den anderen in einem anderen Leben schon einmal getroffen zu haben, geht wohl auf den Mythos vom Kugelmenschen, auf Platon zurück.
Der griechische Philosoph veröffentlichte so um 380 vor Christus sein »Symposion«, übersetzt als »Gastmahl« oder »Trinkgelage«, in dem Philosophen, Dichter und Gelehrte seiner Zeit bei einem geselligen Zusammensein dargestellt werden. Grund für die Party: Der junge Dichter Agathon veranstaltet eine Siegesfeier in seinem Hause, und nach Beendigung des Mahles macht Phaidros, ein Jüngling aus dem Kreise des Sokrates, den Vorschlag, jeder der Teilnehmer solle eine Rede halten, und zwar zum Preise des Eros, der von den Dichtern bislang niemals würdig genug besungen worden sei.
So heben die Teilnehmer hintereinander an, über das Wesen der Liebe zu sinnieren. Die sechs Gäste tragen jeweils eine Rede vor: erst Phaidros dann Pausanias, Eryximachos, Aristophanes, Agathon und Sokrates. Die beiden Hauptreden sind jedoch die vierte und die sechste Rede.
Bevor der Komödiendichter Aristophanes zu sprechen anhebt, plagt ihn ein arger Schluckauf, was die allerneuste Platon-Forschung als Indiz für seinen Alkoholkonsum interpretiert, so dass seine Rede verschoben werden muss. Schließlich beginnt er: »Ursprünglich hatte der Mensch eine andere Gestalt als die heute üblicherweise anzutreffende. Er war eine Kugel mit vier Händen, vier Füßen, zwei Gesichtern, vier Ohren und zwei Geschlechtsteilen.«
Weiter heißt es im Text, das männliche Geschlecht stamme von der Sonne ab, das weibliche von der Erde und das aus den beiden zusammengesetzte vom Mond. Es gab also Mann-Männer, Frau-Frauen und Mann-Frauen. Diese Kugelmenschen hatten je vier Hände und Füße und zwei entgegengesetzte Gesichter auf einem Kopf. Sie waren stark und schnell und wurden in
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