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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Rösinger
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schüchterne Schwabe und heitere Hühnerwirt wurden bislang mehr oder weniger erfolgreich vermittelt.
    Wobei es allzu oft bei einer Alliteration ersten Grades bleibt, da könnte man doch mit Wortneuschöpfungen wie der »harmlose Hühnerhalter«, der »zaudernde Ziegenzüchter«, der »besessene Biobauer« oder der »geriatrische Getreidegärtner« noch eine Stufe weitergehen. Und man könnte doch auch bei den männersuchenden Städterinnen ein bisschen alliterieren: Die umtriebige Urologin Ute, die manische Maklerin Manuela …
    Aber zurück zum Thema: Bei »Bauer sucht Frau« kann man einiges über die Partnerwahl in den letzten Jahrhunderten lernen. Und bevor sich jetzt manch städtische Leserin in dem Wohlgefühl ihrer kulturellen Überlegenheit suhlt und sich über die hinterwäldlerischen Zustände auf dem Land erheben will, ist festzuhalten: Die Bäuerin auf dem Hof führte unter Umständen ein emanzipierteres Leben und hatte mehr Entscheidungsfreiheit und finanzielle Unabhängigkeit als die Bürgersfrau in ihrer städtischen Versorgungs- und Hausfrauenehe.

Liebe – eine Erfindung des 18 . Jahrhunderts
    Das heute als so selbstverständlich alternativlos dargestellte Prinzip der romantischen Liebe ist noch nicht sehr alt und schon gar nicht lang erprobt. Die romantische Liebe geht auf ein Liebeskonzept des 18 . Jahrhunderts zurück, zu diesem Ergebnis sind Historiker und Soziologen, die sich mit Familienforschung befassen, längst gekommen. Lebte der Mensch in vorgeschichtlicher Zeit in einer Art Horde zusammen, setzten sich mit der Zeit und durch die Sesshaftigkeit bedingt, kleinere Lebensformen durch.
    Das »Ganze Haus«
    Bis zur Industrialisierung war eine als »ganzes Haus« bezeichnete Sozialform weit verbreitet. Das ganze Haus zeichnete sich vor allem durch die Einheit von Produktion und Familienleben aus, war Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft und umfasste neben den Ehepartnern weitere verwandte und nicht verwandte an der Erwerbsarbeit beteiligte Personen. Das heißt Eltern, erwachsene Kinder, unverheiratet gebliebene Geschwister und andere Familienangehörige lebten mit dem Gesinde, mit Knechten und Mägden, auf dem Hof.
    Man geht heute davon aus, dass die Beziehungen untereinander in diesem »ganzen Haus« relativ gefühlsarm waren. Sämtliche Handlungen innerhalb der Hausgemeinschaft hatten wegen fehlender Rückzugsmöglichkeiten zumindest halböffentlichen Charakter, die Privatsphäre war unbekannt. Und dass die Partnerwahl unter funktionalen und wirtschaftlichen Aspekten getroffen wurde, beflügelte nicht gerade eine intime und emotionale Partnerbeziehung.
    Seit jeher war die Familie ein wirtschaftlicher Zweckverband, rein ökonomische Interessen waren für Eheschließungen ausschlaggebend. Ehen waren arrangiert.
    Deutschland war ein Agrarland, die Bevölkerung zum großen Teil landwirtschaftlich geprägt, und die Sorge um ausreichende Nahrung hielt fast das ganze 19 . Jahrhundert an – es ist die Zeit des Pauperismus. Vor allem zwischen 1830 und 1840 , während der Frühindustrialisierung, war es einer breiten Bevölkerungsschicht trotz anstrengender Arbeit kaum möglich, für das eigene Auskommen zu sorgen.
    In Süddeutschland gab es gesetzliche Ehebeschränkungen für Unbemittelte; Knechte und Mägde heirateten nicht.
    So kann man sich vorstellen, dass emotionale Komponenten und sexuelle Harmonie in einem Haushalt von mehreren Generationen unter einem Dach nicht von großer Wichtigkeit waren. Zwar lautete der christliche Grundsatz »Eheleute sollen sich lieben«, die Ehe galt aber als Ausdruck von Kameradschaft mit Pflicht zur Liebe und nicht als romantische Veranstaltung.
    In Preußen schrieb das Allgemeine Landrecht noch 1794 fest: »Der Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung und Erziehung der Kinder.« Die Liebe als Exzess mit kurzer Lebensdauer schien als Grundlage einer lebenslangen Verbindung nicht geeignet.
    Eheliche Liebe war eher asketisch gedacht und hatte nichts mit psychischer Hingabe oder Lustgewinn zu tun. Die Eheleute mussten es aber auch nicht allzu lange miteinander aushalten, die Lebenserwartung war weitaus niedriger als heute, und viele Frauen starben im Kindbett.
    Mit dem Aufstieg des Bürgertums und der Industrialisierung, die in Deutschland später einsetzte als in England oder Frankreich, änderte sich dann die Auffassung von Liebe und Ehe.
    Der Aufstieg des Bürgertums
    Ab 1800 und im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurden in Deutschland Bereiche wie Wirtschaft,

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