Liebe wird oft überbewertet
betrachtet, gehören Adam und Eva zu den Einheitsmythen, hier natürlich mit patriarchalischer Prägung: Frau aus Rippe gemacht und später in viktorianischer Sexualmoral interpretiert (Vertreibung aus dem Paradies, weil sie ihre Genitalien sahen) – so Erich Fromm.
Antonius und Kleopatra
Wer weiß, ob sie jemals gelebt haben, ihre Mumien wurden niemals gefunden.
Daphnis und Chloe
Waren Hirtenkinder, reine Fiktion.
Medea und Jason
Eine zutiefst ungute Beziehung von Rache und Grausamkeit geprägt.
Ödipus und Iokaste
Siehe oben. Beziehung mit schlimmen Folgen: Schande, Inzest, berühmter Komplex.
Heloise und Abelardus
Beziehung ohne Zukunft. Sie im Kloster, er entmannt.
Hero und Leander
Er ertrinkt, sie stürzt sich in den Tod, auch nicht schön.
Romeo und Julia
European Rich Kids, junge Adelige aus Verona. Julia war vierzehn, von körperlicher Arbeit befreit und ohne Geldsorgen.
Rhett Butler und Scarlett O’Hara
Trafen sich in einer historisch außergewöhnlichen Situation im amerikanischen Bürgerkrieg. Unstete Beziehung, er verschwindet am Schluss im Nebel, sie tröstet sich mit ihrem Grundbesitz: »Tara, mir bleibt immer noch Tara.«
Soraya und der Schah von Persien.
Sie wurde vom Hof verstoßen, weil kein Kind kam.
Tarzan und Jane
Notgemeinschaft ohne große Alternative.
Kate Winslet und Leonardo di Caprio in »Titanic«
Sie Tochter aus gutem Haus, er Habenichts. Wenn das Schiff nicht gesunken wäre, hätten sie sich auf dem Festland bald getrennt, wegen großer Unterschiedlichkeit der Herkunft. Er hätte dem Mädchen aus reichem Hause nichts bieten können. Vielleicht ahnt sie das auch und löst deshalb, als sie zusammen auf einem Holzbrett auf dem Eismeer treiben, seine festgefrorenen Hände von dem Brett und lässt ihn ganz gnadenlos nach unten plumpsen.
Siegfried und Roy
Vielleicht das einzige dauerhaft glückliche Paar. Haben aber auch ihre Millionenvilla in Las Vegas und ihre weißen Tiger, die für Abwechslung und Aufregung sorgen, wenn es in der Beziehung mal langweilig wird.
Wir sehen also: In der Literatur und im Film ist die große Liebe meistens tragisch oder tödlich und keinesfalls eine Gebrauchsanweisung oder ein Muster für ein schönes oder zumindest erträgliches Leben. Es ist also idiotisch, die normale Sinnlosigkeit und die Sterblichkeit, mit denen wir Menschen nun mal konfrontiert sind, durch das Streben nach einem nie verwirklichten Ideal, dem Konstrukt »Liebe«, aufheben zu wollen.
Auch die vielbewunderte »Künstlerehe«, die Idee des »hohen Paares«, hat doch seit ihrer Erfindung eine ständige Entwicklung nach unten durchgemacht:
Cosima und Richard Wagner
Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre
John Lennon und Yoko Ono
Kermit und Miss Piggy
Heidi Klum und Seal
Jay Khan und Indira Weis
Leider werden diese historischen Wahrheiten in den Medien unterdrückt. In einer großangelegten Gehirnwäsche wird im Gegenteil verbreitet, die Liebesehe wäre seit den Neandertalern der Normalfall, die romantische Zweierbeziehung ist Pflicht und Norm.
Eine ganze Hochzeitsindustrie verdient am Irrglauben der Menschheit. Junge vernünftige Leute heiraten unter den denkwürdigsten Zeremonien in Weiß und glauben an die Liebe fürs Leben. Aber bei den wenigsten kann man so etwas wie echte Zuneigung sehen, eher sieht man das, was Schlegel schon 1799 an den Ehen seiner Zeit bemängelt hatte: »Da liebt der Mann in der Frau nur die Gattung, die Frau im Mann nur den Grad seiner natürlichen Qualitäten und seiner bürgerlichen Existenz und beide in den Kindern nur ihr Machwerk und ihr Eigentum.«
Wohnzimmer, 10 . Oktober
Heute Nachmittag kam T. vorbei, sie war sehr angeschlagen und den Tränen nahe, natürlich weil J. wieder so gemein war, weil es immer dasselbe war, weil sie immer Pech hatte und sich mit J. wohl wieder einen echten Idioten ausgesucht hatte.
An dieser Stelle konnte ich nur beipflichten. Wir Freunde und Freundinnen hatten es ja von Anfang an gewusst, aber T. war von ihrem Freund immer so überzeugt und dadurch beratungsresistent gewesen. »Immer verliebe ich mich in die Falschen!«, jammerte sie. Ich überlegte, ob ihr das alte Sprichwort »Alle Männer sind die Falschen« in diesem Moment wohl Trost spenden könnte, ließ die Idee aber wieder fallen und erzählte ihr das Gleichnis vom Trauerschwan Petra.
Petra der Trauerschwan oder ich glaub, ich hab ein Faible für Idioten
Es begann im Sommer 2006 auf dem Aasee im westfälischen Münster. Der
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