Liebe wird oft überbewertet
trägt Unglück in die Ehe.«
Das gehobene Bürgertum, das teilweise dem romantischen Liebesideal wie einer Modetorheit nachgelaufen war und die Unterschiede zwischen Liebe und Ehe verwischte, bemerkte wohl bald, dass die Mehrung der Lebensqualität durch Intimisierung der Ehe ein mühseliges Unterfangen war. Die Romantik als große Theorie der Liebe hatte kaum Vorsorge für den Liebesalltag getroffen.
Doch trotz Romantik und neuem Eheideal waren Geld und eine gute Partie im 19 . Jahrhundert vorrangige Ziele auf dem Heiratsmarkt.
Der Historiker Peter Burscheid hat zweihundert autobiographische Schriften aus dieser Zeit untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Liebesheirat noch bis weit ins 19 . Jahrhundert hinein wenig verbreitet war. Bei seiner Untersuchung des Heiratsverhaltens hat er festgestellt, dass stattdessen äußerst schlichte Kriterien bei der Partnerwahl angewendet wurden.
Auf dem vorromantischen Heiratsmarkt ging es recht pragmatisch zu. Bäuerliche Heiratsstrategien sollten nicht einsame Herzen zueinander bringen, sondern die dörfliche Sozialstruktur stabilisieren, die Frau sollte möglichst viele Äcker mit in die Ehe bringen. In etwa galt folgende Formel: Mann sucht Frau mit viel Mitgift, die fleißig ist und einen guten Ruf hat, Frau sucht Mann, der reich ist und tüchtig.
Doch auch unter Handwerkern wurde es en vogue, Liebe vorzutäuschen, um handfeste materielle Absichten zu verdecken. »Es geht mir gar nicht um das Holzgeschäft Ihres Vaters, ich habe Sie wirklich gern«, heißt es im Werbebrief eines heiratswilligen Handwerkers.
Auch die Sozialwissenschaftlerin Heidi Rosenbaum geht in ihrem Buch »Familie und Gesellschaftsstruktur« auf die dominierende Bedeutung des Geldes bei der Familiengründung ein. Bevor Freiräume für die Liebe geschaffen werden konnten, musste zuerst der äußere Rahmen stimmen.
Der große Teil der Bevölkerung litt bis weit ins 19 . Jahrhundert hinein unter überlangen Arbeitszeiten und zermürbenden Sorgen ums wirtschaftliche Überleben. Da gab es anderes, als die Prioritäten bei der Gattenwahl neu zu mischen. So war die Liebesheirat zwar das Ideal, aber die Praxis sah ganz anders aus. Rosenbaum kommt zum Fazit: »Wo für die Frau die Ehe die einzige angemessene sozial akzeptierte Versorgungs- und Lebensperspektive war, war die romantische Liebe lediglich eine Erfindung der Literatur, ein Stoff für Träume und nicht die Norm. Für die Frauen, ausgeschlossen von Erwerbsarbeit, beim Erbrecht benachteiligt, war die Ehe eine reine Versorgungsanstalt.«
In unserem 21 . Jahrhundert hat die Ehe zwar an Bedeutung verloren, aber die romantische Zweierbeziehung ist Pflicht, Norm und Religion geworden. So wird die Beziehung zur unverzichtbaren emotionalen Versorgungsanstalt, die dann aber in den seltensten Fällen eine durchgehende emotionale Versorgung gewährleisten kann.
Liebe kann keine Erfindung sein!
Nun höre ich schon den entsetzten Einwand der Verfechter des romantischen Liebesmodells: »Was, eine Erfindung des 18 . Jahrhunderts? Das kann nicht sein! Liebe gab es doch vorher schon! Im Mittelalter, Romeo und Julia, Werther! Die ganzen berühmten Liebespaare, schon in der Bibel steht das Hohelied der Liebe, in Gedichten, in allen Kulturen!«
Auch hier gilt es natürlich wieder zwischen Fiktion und Lebensrealität zu unterscheiden. Noch nicht einmal die berühmten Liebespaare der Literatur lebten auf dem Lande oder kamen aus den hart arbeitenden gewerblichen Berufen.
Das Hohelied der Liebe hat eindeutig einen erotischen Inhalt. Das darf man nicht mit Liebe verwechseln.
Die mittelalterliche Liebeslyrik, der Minnesang, verhandelt allein die höfische Liebe und beruht darauf, dass eine unerreichbare, verheiratete Frau angesungen wird. Minnesang ist ein Singer-Songwriter-Trick, weil auch Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach schon wussten, dass die schönsten Lieder immer die vergeblichen, traurigen sind.
Berühmte Liebespaare – eine Dekonstruktion
Aber gehen wir ruhig einmal die berühmten Paare aus Geschichte und Literatur nacheinander durch:
Adam und Eva
Über ihre Beziehung ist wenig bekannt, da es keine Zeitzeugenberichte gibt. Erich Fromm glaubt nicht, dass die beiden sich geliebt haben, weil sie »Die Kunst des Liebens« noch nicht beherrschten. Sonst hätte Adam ja wohl kaum die Schuld auf Eva geschoben, als sie, des Essens vom Baum der Erkenntnis beschuldigt, aus dem Paradies flogen. Mythengeschichtlich
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