Liebe wird oft überbewertet
Objektliebe öfters aufzutreten So hat Höckerschwan »Schwani« aus dem Münsterland sechs Jahre lang in unerfüllter Liebe einen kleinen blauen Traktor gestalkt. Erst im August 2011 ließ er vom Traktor ab und verliebte sich neu – in eine Gans. Bereits 1994 hatte Alsterschwan Swanee Schlagzeilen gemacht, weil er sogar ein Nest für sein geliebtes Tretboot gebaut hatte.
Und im Juli 2010 wich im Vogelpark Niendorf in der Nähe von Timmendorfer Strand ein fünfzehnjähriger Gänserich namens Romeo einer Keramik-Gans, die sinnigerweise Julia getauft wurde, nicht mehr von der Seite. Der Ganter Romeo versuchte neugierige Besucher auf Distanz zu halten und schmiegte sich immer wieder an die weiße Keramik mit dem blauen Halsband.
Interessant ist, dass vor allem Schwäne, die doch dem Menschen immer als Vorbild für jahrelange Treue gelten, sich in Gegenstände verlieben. Der Verhaltensforscher spricht dabei von der »Konditionierung« der Vögel auf Gegenstände.
Die extrem seltene sexuelle Orientierung der Objektophilie kommt auch beim Menschen vor, sie richtet sich auf unbelebte Gegenstände. Objektophile Menschen pflegen eine vollwertige, also emotionale und körperliche Beziehungsliebe zu Dingen. Dabei entscheidet sich die Objektophilie vom Fetischismus dadurch, dass das Objekt nicht nur zur Stimulanz dient, sondern als eigenständiges, quasi-personelles Gegenüber wahrgenommen und als anziehend empfunden wird.
Die bekannteste Objektophile ist wohl Erika Eiffel, eine ehemalige Soldatin aus San Francisco, die seit 2007 mit dem Eiffelturm verheiratet ist. Eija-Riita Eklöf-Berliner Mauer, eine schwedische Modellbauerin, ist seit 1979 mit der Berliner Mauer verheiratet. Sie engagierte einen Animisten, der mit der Mauer kommunizierte und für diese das Ja-Wort gab. Seit dem 9 . November 89 ist sie verwitwet.
Aber nicht nur in unserem westlichen Kulturkreis kennt man die Objektophilie. Im Jahr 2007 hat eine Frau im indischen Bundesstaat Assam ein Buch geheiratet. Die 60 -Jährige ging den Bund der Ehe mit der Shrimad Bhagavad Gita ein, einer heiligen Schrift des Hinduismus. »Ich hatte keine Lust, einen Mann zu heiraten«, begründete sie den ungewöhnlichen Schritt. Die Zeremonie wurde nach dem traditionellen Ritus vollzogen.
In seinem Buch »Neosexualitäten« beschäftigt sich der bekannte Frankfurter Sexualforscher Volkmar Sigusch unter anderem mit der Objektophilie. In einem Spiegel-Interview gab er folgendes Beispiel: »Fragen Sie mal hundert Männer, mit wem sie mehr Zeit verbringen, wen sie mehr lieben: ihre Frau oder das neue Auto? Gehen Sie mal auf eine Automesse. Da können Sie bei Männern alle Zeichen der sexuellen Erregung beobachten: Glanzauge, Tremor, Sex Flush.«
Bindungstypen und Bindungstheorien
Warum binden sich Menschen an unpassende Partner und Schwäne an Tretboote? An dieser Stelle kann uns die psychologische Liebesforschung helfen und weiterbringen. Wer immer in die gleichen unguten Muster fällt, dem kann es nicht schaden, einmal darüber nachzusinnen, warum er das tut.
In der Bindungstheorie (attachment theory) geht man davon aus, dass Menschen ein grundsätzliches Bedürfnis haben, sich an eine andere Person zu binden und diese Bindung aufrechtzuerhalten. Dabei werden Bindungsstile bereits im Kleinkindalter erworben, bleiben relativ stabil und leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis erwachsener Paarbeziehungen.
Die Bindungstheorie wurde vom englischen Kinderpsychiater John Bowlby auf dem Hintergrund von persönlichen Erfahrungen, empirischen Erhebungen und psychoanalytischen Konzepten entwickelt. Bowlby geht davon aus, dass das Vorhandensein einer Bindung genauso wie Essen, Trinken und Schlafen zu den primären menschlichen Bedürfnissen zu zählen ist. Ein zentraler Begriff bei Bowlby ist das Bindungsverhalten, das aus bestimmten programmierten Verhaltenssequenzen wie z.B. Suchen, Rufen, Anklammern, Nachfolgen, Protest bei Trennung und anderen Äußerungen besteht. Diese Signale sollen die Nähe zur schützenden Person sichern und von Erwachsenen verstanden und beantwortet werden.
Kinder unterscheiden sich in ihrem Bindungsverhalten. Die Erforschung dieser Unterschiede erfolgt bei kleinen Kindern experimentell durch den von der US -amerikanischen Entwicklungssychologin Mary Ainsworth entwickelten »Strange Situation Test«, bei dem das Verhalten des Kleinkindes in acht aufeinanderfolgenden Episoden in einem durch Einwegscheiben beobachtbaren Raum registriert
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