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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Rösinger
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schwarze Trauerschwan Petra hatte eine seltsame, aber große Zuneigung zu einem überlebensgroßen weißen Tretboot in Schwanenform gefasst. Petra hatte wohl in ihrer Schwanennaivität angenommen, dieser überlebensgroße weiße Schwan sei etwas ganz Besonderes, irgendwie anders als die andern, zwar ein wenig starr und wenig entgegenkommend, aber gerade deswegen besonders interessant und liebenswert. Und so verliebte sich der Trauerschwan in das weiße Tretboot, das eine Yachtschule stundenweise vermietete. Petra wich nicht von der Seite des unbeseelten Plastiktiers, bei seiner Vermietung schwamm sie nebenher und verfiel in Drohgebärden, wenn jemand dem Tretboot zu nahe kam.
    So ähnlich verhält sich eine Frau, die sich in einen besonders verhaltensgestörten Mann verliebt und glaubt, ihn durch Liebe und Hartnäckigkeit heilen zu können.
    Von unserer Perspektive aus gesehen, verhält sich der Trauerschwan Petra völlig blöd. Aber wer weiß, vielleicht sieht Petra Dinge, die wir nicht sehen? Vielleicht gibt das Tretboot doch geheime Zeichen, bewegt sich leicht im Wind, und die arme Petra interpretiert das als Zeichen der Zuneigung und bleibt fest an der Seite des Plastikteils?
    Vielleicht ist sie sogar glücklich dabei, falls Schwäne so etwas wie Glück empfinden können? Wahrscheinlich verpasst sie aber durch ihre ganz und gar sinnlose, treue Liebe zu einem Stück Plastik viele andere schöne Natur- und Tiererlebnisse.
    Einige Zeit nach der Liaison mit dem Tretboot war Petra verschwunden, und man weiß bis heute nicht, ob sie den Schwindel bemerkt hatte. Vielleicht war sie untergetaucht, um ihre seelischen Wunden nach der aufgedeckten Selbsttäuschung zu heilen? Die einseitige Beziehung zum Tretboot hatte immerhin zwei Jahre gedauert! Und um eine ernsthafte Beziehung nach der Trennung zu verarbeiten, braucht man noch mal so lange, heißt es.
    Trauerschwan Petra und Tretboot
    Zurück zum Menschen. Bislang sprach man als Laie ja bei Frauen, die sich immer von besonders gestörten, kaputten Männern angezogen fühlen, vom Helfersyndrom oder Helferleinsyndrom. Das Helfersyndrom bezeichnet aber eigentlich eine Form der Überforderung, die bei Menschen auftritt, die in Pflegeberufen tätig sind.
    Nun muss es ja nicht immer gleich pathologisch sein, wenn wir uns zu den etwas schwierigeren Menschen hingezogen fühlen. Die leicht verschrobenen Menschen wirken eben auf den ersten Blick interessanter als die glücklichen, vor Kraft strotzenden Gewinnertypen. Die Gestörten scheinen rätselhaft und tiefgründig, und das macht sie für uns erst einmal interessant (vgl. Vampirsyndrom im Kapitel »Die Vampirbeziehung als positive Utopie«).
    Warum suchen sich aber besonders Frauen gerne ganz schwierige Fälle aus? Warum verlieben sie sich immer wieder in zutiefst verhaltensgestörte, bindungsunwillige, emotional verarmte Männer? Warum gehen sie freiwillig Beziehungen ein, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind, dabei aber auch noch viel Leid und wenig Spaß mit sich bringen?
    Vielleicht, weil so eine Beziehung immerhin Beschäftigung bringt. Manchmal gibt es kleine Therapieerfolge zu verzeichnen, und die eigentliche Sinnlosigkeit oder Langeweile in der RZB , das Sich-nicht-Verstehen oder Nichts-miteinander-anfangen-Können wird durch diese Therapiearbeit übertüncht. Vielleicht kommt noch eine unglückliche Kindheitsdisposition dazu, und die Psyche, die manchmal arg dumm ist, denkt: »Wenn ich diesen gefühlskalten Mann dazu bringe, mich zu lieben, dann werde ich für die Ablehnung durch meinen gefühlskalten Vater entschädigt.« Tragischerweise fühlen sich deshalb auch Frauen, die in ihrer Kindheit unter einem Alkoholikervater gelitten haben, später zu Alkoholikern hingezogen.
    Aber auch bei den weniger gravierenden Fällen heißt die Devise: Bleiben lassen! Denn selbst wenn der kräftezehrende Versuch gelingt und eine interessante Gestörtheit des Partners ansatzweise geheilt werden konnte, wird es zu Enttäuschungen kommen. Denn manchmal ist die Störung das einzig Interessante gewesen, und wenn die behoben ist, bleibt nichts übrig.
    Es bringt also nichts! Deshalb die Energie gleich lieber in andere Dinge stecken: Freundschaften schließen, Kunst schaffen, Bildung anhäufen, sich sozial und politisch engagieren, die Gesellschaft verändern!
    Aber noch einmal zum Schwan: Petra ist ja nicht die einzige Schwänin, die einem Liebesirrtum aufgesessen ist, vor allem in Norddeutschland scheint die schwänliche

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