Liebe
würden, und fühlen uns, je nach dem Erfolg unserer Sehnsucht, entweder unglaublich gut oder hundsmiserabel.
Um einen solch faszinierenden Zustand zu erzeugen, müssen gewaltige Kräfte am Werk sein. Und richtig! Unsere Verliebtheit geht quer durchs Gehirn. Maßgeblich beteiligt sind der cinguläre Cortex, ein Areal, das mit Aufmerksamkeit zu tun hat, und das mesolimbische System, das so etwas wie ein Belohnungszentrum darstellt. Auch die unverzichtbaren Boten tun ihre Arbeit. Begegnen wir einem Menschen, der uns anzieht, so jagt unser Körper das Hormon Phenylethylamin (PEA) in die Blutbahn. Gleichwohl ist es auch hier nicht das PEA, das uns einen Menschen reizvoll erscheinen lässt, sondern unsere Psyche. Wen wir anziehend finden oder nicht, sagt uns unser Unterbewusstsein und möglicherweise auch ein wenig unser Bewusstsein. Hormone dagegen sind die Erfüllungsgehilfen, die unseren Körper in die dazu passende – und manchmal auch unpassende – Erregung versetzen. Ich komme darauf noch ausführlich zurück.
Unterstützt wird das PEA von den üblichen Verdächtigen: Noradrenalin für die Aufregung und Dopamin für die Euphorie. Ihr Spiegel steigt, und das einschläfernde Serotonin sinkt ab, womit eine gewisse Unzurechnungsfähigkeit garantiert ist. Dazu kommt noch eine gehörige Dosis an körpereigenen Rauschmitteln wie Endorphin und Cortisol. Die Folgen des Ganzen sind gesteigerte Energie, konzentrierte Aufmerksamkeit für das Subjekt unserer Sehnsucht und eine berauschende Hochstimmung.
Verliebtheit ist ein schöner Zustand, vielleicht der schönste der Welt – zumindest für den glücklich Verliebten. Gleichwohl ist nicht klar, warum es ihn gibt. Wie wir inzwischen gesehen haben, liegt Helen Fisher daneben, wenn sie meint, die Anziehung »entwickelte sich vor allem, um es Individuen zu ermöglichen, zwischen verschiedenen potentiellen Geschlechtspartnern zu wählen, dabei ihre Paarungsenergie zu erhalten und sie zu stimulieren, ihre Aufmerksamkeit bei der Werbung auf ein genetisch
überlegenes Individuum zu konzentrieren«. 63 Weder paare ich mich grundsätzlich mit genetisch überlegenen Individuen, noch bedarf es zur Fortpflanzung der Verliebtheit. Beide Erklärungen sind so wenig einleuchtend wie ihre Mixtur.
Hätte Helen Fisher recht, so gäbe es das Sortiersystem der Verliebtheit wohl überall in der Welt sozialer Lebewesen und nicht nur beim Menschen. Davon aber kann vermutlich nicht die Rede sein. Außerdem bringt uns die Verliebtheit gerade dazu, uns nicht mit den genetisch fittesten Partnern zusammenzutun, sondern mit den für uns persönlich interessantesten. Und das ist durchaus nicht das Gleiche. Männer verlieben sich in unfruchtbare Frauen und Frauen in unfruchtbare Männer. Und warum begegnet uns das vermeintliche Sortiersystem des Verliebens eigentlich bis ins hohe Alter, wo es genetisch überhaupt nichts mehr zu sortieren gibt?
Verlieben dient nicht der genetischen Wahl. Vielmehr ist die Fähigkeit sich zu verlieben das aus meiner Sicht größte und schönste Rätsel der Evolution. Da dieser Zustand dem Körper eine ungeheure Anstrengung abverlangt und auch die Psyche nicht schont, lässt er sich naturgegeben nicht ewig aufrechterhalten. Drei Jahre Verliebtheit gilt als das Maximum der Gefühle, drei bis zwölf Monate als der Durchschnitt. Bei vier Jahren partnerschaftlicher Bindung liegt laut internationaler Statistik die durchschnittliche Scheidungszeit. Die Schmetterlinge im Bauch verwandeln sich wieder in Raupen. Sah der Verliebte zuvor nur das Lächeln der Geliebten, so treten die Zahnlücken, die vorher unsichtbar waren, nun deutlich zutage.
Lust und Verliebtheit lassen sich recht einfach beschreiben. Doch wie sieht es mit dem dritten Zustand aus, der Liebe? In der Evolutionstheorie und in der Biologie spielt sie nur eine untergeordnete Rolle. Gestandene Biologen zucken mit den Achseln oder ziehen die Augenbrauen zusammen, wenn sie etwas über die Liebe sagen sollen. Genau genommen ist der Begriff biologisch nicht einmal definiert, sondern nur seine Schwundstufe,
die »Bindung«. Doch was sagen die Hirnforscher und die Biochemiker zur Liebe? Ist Liebe ein Schaltkreis im Gehirn, ein neurochemisch beschreibbarer Zustand? Kann man die Liebe hormonell erklären wie die Lust und die Verliebtheit?
Wenn man den vielen populären Ratgebern von Wissenschaftsjournalisten Glauben schenkt, dann ist auch das möglich. Und die Erklärung ist überraschend einfach. Ihr Zauberwort heißt –
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