Lieben: Roman (German Edition)
nicht gleich um alles oder nichts gehen.«
»Nein«, sagte ich. »Aber in diesem speziellen Fall schon.«
»Hast du ihr den Brief geschickt?«
»Nein, noch nicht.«
Im selben Moment bekam ich eine SMS. Sie war von Linda.
»Habe dich auf dem Literaturfest nicht gesehen. Warst du da?«
Ich begann, eine Antwort zu tippen.
»Kannst du das nicht später machen?«, sagte Geir.
»Nein«, erwiderte ich.
»Konnte nicht kommen. Gut gelaufen?«
Ich verschickte die Nachricht und hob das Glas.
»Prost«, sagte ich.
»Prost«, sagte er.
Eine neue SMS traf ein.
»Habe dich vermisst. Wo bist du jetzt?«
Vermisst?
Das Herz pochte schwer in meiner Brust. Ich begann erneut, ihr zu antworten.
»Jetzt lass das«, sagte Geir. »Wenn du damit nicht aufhörst, verschwinde ich.«
»Es geht ganz schnell«, sagte ich. »Warte kurz.«
»Ich vermisse dich auch. Bin im KB.«
»Das ist Linda, habe ich Recht?«, sagte Geir.
»Ja, sicher«, antwortete ich.
»Du siehst völlig irre aus«, sagte er. »Ist dir das eigentlich klar? Als ich dich gesehen habe, hätte ich in der Tür fast kehrtgemacht.«
Neue SMS.
»Komm zu mir, Karl Ove. Bin in der Volksoper. Warte.« Ich stand auf.
»Tut mir leid, Geir, aber ich muss gehen.«
»Was, jetzt?«
»Ja.«
»Also, jetzt ist es aber gut, Mann. Sie wird ja wohl verdammt nochmal eine halbe Stunde warten können? Immerhin bin ich die weite Strecke mit der Bahn in die Stadt gefahren, und das habe ich bestimmt nicht getan, um hier alleine
zu sitzen und zu trinken. Das kann ich auch zu Hause haben.«
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich rufe dich an.«
Ich lief auf die Straße hinaus, winkte ein Taxi heran und hätte an den Ampeln vor Ungeduld am liebsten geschrien, aber dann hielt es vor der Volksoper, und ich bezahlte und ging hinein.
Sie saß in der oberen Etage. Als ich sie sah, wusste ich sofort, dass kein Grund zur Eile bestand.
Sie lächelte.
»Du bist aber schnell!«, sagte sie.
»Ich hatte irgendwie den Eindruck, es wäre dringend.«
»Nein, nein, überhaupt nicht.«
Ich umarmte sie und setzte mich.
»Möchtest du etwas trinken?«, sagte ich.
»Was nimmst du?«
»Ich weiß nicht? Rotwein?«
»Gute Idee.«
Wir teilten uns eine Flasche Rotwein, unterhielten uns über dies und das, nichts Wichtiges, es stand die ganze Zeit zwischen uns, jedes Mal, wenn sich unsere Blicke begegneten, durchlief mich ein Zittern, und danach ein schwerer Stoß, das war das Herz.
»Im Vertigo-Verlag steigt jetzt ein Fest«, sagte sie. »Hast du Lust mitzukommen?«
»Ja. Gute Idee.«
»Stig Sæterbakken ist auch da.«
»Das ist vielleicht nicht so gut. Ich habe ihn einmal total verrissen. Und danach habe ich ein Interview mit ihm gelesen, in dem er meinte, er würde alle Verrisse aufbewahren. Meiner muss einer der schlimmsten gewesen sein. Eine ganze Seite in Morgenbladet . Außerdem hat er Tore und mich mal in einer Literaturdebatte angegriffen. Uns Faldbakken & Faldbakken genannt. Aber das sagt dir wahrscheinlich nichts.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wir können gerne woanders hingehen.«
»Nein, nein, mein Gott. Wir gehen hin.«
Als wir die Volksoper verließen, hatte draußen gerade die Dämmerung eingesetzt. Die Wolkendecke, die den ganzen Tag über der Stadt gehangen hatte, verdichtete sich.
Wir nahmen ein Taxi. Die Büros von Vertigo lagen in einem Keller, und als wir ankamen, waren überall Menschen, die Luft war heiß und hing voller Rauch, ich drehte mich zu Linda um und sagte, dass wir vielleicht nicht so lange bleiben müssten.
»Na, wenn das nicht Knausgård ist«, sagte eine Stimme, und ich wandte mich danach um. Es war Sæterbakken. Er lächelte. Wandte sich an jemand anderen:
»Knausgård und ich sind Feinde. Nicht wahr?«, fügte er hinzu und sah zu mir hoch.
»Ich nicht«, sagte ich.
»Jetzt sei nicht so feige«, sagte er. »Aber du hast schon Recht, die Sache haben wir zu den Akten gelegt. Ich schreibe einen neuen Roman und versuche dabei, es so wie du zu machen. Etwas mehr in diese Richtung zu schreiben.«
Du meine Güte, dachte ich. Das war ja mal ein Kompliment!
»Was du nicht sagst«, erwiderte ich. »Hört sich interessant an.«
»Ja, es ist sehr interessant. Wart’s ab!«
»Wir sehen uns«, sagte ich.
»Das tun wir«, erwiderte er.
Wir gingen zur Bar, bestellten Gin Tonic, fanden zwei freie Stühle und setzten uns. Linda kannte viele Leute, ging herum und unterhielt sich mit ihnen, kam aber immer wieder zu mir zurück. Ich wurde immer betrunkener, aber
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