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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dann bin ich hier aufgewacht.«
    Ich stand auf, machte ein paar taumelnde Schritte.
    »Ich gehe wohl besser nach Hause«, sagte ich. »Aber wenn du willst, kannst du ruhig noch bleiben.«
    Sie lachte.
    »Wir fahren zu mir. Ich werde mich um dich kümmern.«
    »Es hört sich wundervoll an, dass du dich um mich kümmern willst«, sagte ich.
    Sie lächelte und zog ihr Handy aus der Jackentasche. Die Haare klebten ihr in der Stirn. Ich betrachtete meine Kleider. Die Hose war von der Nässe dunkel verfärbt. Ich zog eine Hand durch meine Haare.
    »Seltsamerweise bin ich nicht mehr betrunken«, sagte ich, »aber dafür habe ich einen Mordshunger.«
    »Wann hast du zuletzt gegessen?«
    »Gestern irgendwann, glaube ich. Am Morgen.«
    Im selben Moment meldete sich die Taxizentrale, sie schmachtete mich mit den Augen an, gab die Adresse durch, und zehn Minuten später saßen wir, unterwegs durch den Regen und die Nacht, im Taxi.
     
    Als ich erwachte, wusste ich erst nicht, wo ich war, sah dann aber Linda und erinnerte mich an alles. Ich legte mich zu ihr, sie öffnete die Augen, wir liebten uns wieder, und das war so richtig, so gut, dass alles in mir spürte, sie und ich gehörten zusammen, und das sagte ich ihr auch.
    »Wir müssen Kinder bekommen«, erklärte ich. »Alles andere wäre ein Verbrechen wider die Natur.«
    Sie lachte.
    »So muss es sein«, sagte ich. »Da bin ich mir vollkommen sicher. So habe ich noch nie empfunden.«
    Sie lachte nicht mehr und sah mich an.
    »Du meinst das ernst?«, sagte sie.
    »Ja«, sagte ich, »Natürlich nur, wenn du es nicht anders empfindest. Das wäre etwas anderes. Aber das tust du nicht, oder? Das fühle ich auch.«
    »Ist das wahr?«, sagte sie. »Liegst du hier in meinem Bett und sagst, dass du Kinder mit mir haben willst?«
    »Ja. Du empfindest dasselbe, stimmt es nicht?«
    Sie nickte.
    »Aber ich hätte es niemals ausgesprochen.«
     
    Zum ersten Mal in meinem Leben war ich vollkommen glücklich. Zum ersten Mal gab es nichts in meinem Leben, was meine Freude überschattete. Wir waren die ganze Zeit zusammen, griffen überall nach dem anderen, an Ampeln, über Restauranttische hinweg, in Bussen, in Parks, es gab keine Forderungen und kein anderes Wollen als das Zueinander. Ich fühlte mich vollkommen frei, aber nur, solange ich mit ihr zusammen war, denn sobald wir getrennt waren, begann ich mich nach ihr zu sehnen. Es war eigenartig, diese Kräfte waren so stark, und sie waren gut. Geir und Christina meinten, man könne nicht mit uns zusammen sein, wir hätten nur noch Augen für uns, und sie hatten Recht, außerhalb der Welt, die wir zwei uns plötzlich erschaffen hatten, gab es keine anderen mehr. An Mittsommer fuhren wir auf die Schäreninsel Runmarö hinaus, wo Mikaela ein Sommerhaus gemietet hatte, und ich fand mich lachend und singend in einer schwedischen Nacht wieder, ein fröhlicher, lallender Idiot, denn alles ergab einen Sinn, alles war mit Bedeutung aufgeladen, als wäre ein neues Licht auf die Welt geworfen worden. In Stockholm gingen wir schwimmen, legten uns in Parks und lasen, gingen essen, es spielte keine Rolle, was wir taten, wichtig war, dass wir es taten. Ich las Hölderlin, und seine Gedichte flossen in mich hinein wie Wasser, es gab nichts, was ich nicht verstand, die Ekstase in den Gedichten und die Ekstase in mir waren identisch, an jedem einzelnen Tag im ganzen Juni, im ganzen Juli und ganzen August schien die Sonne. Wir erzählten uns alles voneinander, wie Liebende es tun, und obwohl wir wussten, dass es so nicht bleiben konnte, und der Gedanke, dass es tatsächlich so weitergehen würde, furchteinflößend war, weil all
dieses Glück auch etwas Unerträgliches hatte, lebten wir darin, als wüssten wir das nicht. Der Absturz musste kommen, aber wir gaben nichts darauf, wie hätten wir es auch tun können, wenn doch alles so gut war?
    Als ich eines Morgens in der Dusche stand, rief sie nach mir, ich ging ins Zimmer, sie lag nackt auf dem Bett, das mittlerweile am Fenster stand, so dass wir in den Himmel blicken konnten.
    »Schau mal«, sagte sie. »Siehst du die Wolke da?«
    Ich legte mich neben sie. Der Himmel war vollkommen blau, wolkenlos, abgesehen von dieser einen, die langsam näher trieb. Sie hatte die Form eines Herzens.
    »Ja«, sagte ich und drückte ihre Hand.
    Sie lachte.
    »Alles ist perfekt«, sagte sie. »So ist es mir noch nie gegangen. Ich bin so glücklich mit dir. Ich bin so glücklich!«
    »Ich auch«, sagte ich.
    Wir fuhren mit

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