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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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die angenehme, entspannte Stimmung, die sich eingestellt hatte, als ich Linda
in der Volksoper sah, hielt an. Wir sahen uns an, wir gehörten zusammen. Sie legte die Hand auf meine Schulter, wir gehörten zusammen. Sie begegnete meinem Blick quer durch den ganzen Raum, mitten in einem Gespräch mit jemandem, und lächelte, wir gehörten zusammen.
    Als wir ein, zwei Stunden da waren und uns in einem kleinen Zimmer am hinteren Ende der Räumlichkeiten in zwei Sesseln niedergelassen hatten, kam Sæterbakken zu uns und fragte, ob er unsere Füße massieren dürfe. Das könne er richtig gut, sagte er. Ich sagte, nein, das geht nicht. Linda zog ihre Schuhe aus und legte ihre Füße in seinen Schoß. Er knetete und rieb und sah ihr dabei in die Augen.
    »Das kann ich gut, nicht wahr?«, sagte er.
    »Ja, das war schön«, antwortete Linda.
    »Aber jetzt bist du an der Reihe, Knausgård.«
    »Das geht nicht.«
    »Bist du feige? Jetzt komm schon, zieh die Schuhe aus.«
    Schließlich tat ich ihm den Gefallen, zog meine Schuhe aus und legte die Füße in seinen Schoß. Es war an sich ganz angenehm, aber die Tatsache, dass es Stig Sæterbakken war, der meine Füße drückte und um dessen Mund die ganze Zeit ein Lächeln spielte, das sich schwerlich anders als diabolisch deuten ließ, machte die Situation gelinde gesagt zweideutig.
    Als er fertig war, fragte ich ihn nach seiner letzten Essaysammlung über das Böse, drehte anschließend eine kleine Runde, nahm einen Drink nach dem anderen, bis mir auf einmal Linda ins Auge fiel. Sie stand an eine Wand gelehnt und unterhielt sich mit einer Frau, die ich auf ihrer Party gesehen hatte, Hilda, Wilda? Nein, verdammt, Gilda.
    Wie schön Linda war.
    Und so unglaublich lebendig.
    War es denkbar, dass sie die meine werden konnte?
    Kaum hatte ich das gedacht, streifte ihr Blick meinen. Sie lächelte und winkte mir zu.
    Ich ging zu ihr.
    Die Zeit war reif.
    Jetzt oder nie.
    Ich schluckte, legte die Hand auf ihre Schulter.
    »Das ist Gilda«, sagte sie.
    »Wir sind uns schon einmal begegnet«, meinte Gilda und lächelte.
    »Komm«, sagte ich.
    Sie sah mich fragend an.
    Die Dunkelheit in ihren Augen.
    »Jetzt?«, sagte sie.
    Ich antwortete nicht, packte nur ihre Hand.
    Wortlos gingen wir durch den Raum. Öffneten die Tür, stiegen die Treppe hinauf.
    Es goss in Strömen.
    »Ich habe dich schon einmal zur Seite genommen«, sagte ich. »Damals lief das nicht so gut. Und vielleicht geht es ja auch diesmal gründlich daneben. Dann ist es eben so. Aber es gibt da einfach etwas, was ich dir sagen möchte. Über dich.«
    »Über mich?«, sagte sie, stand direkt vor mir und blickte zu mir hoch, ihre Haare waren bereits nass, das Gesicht glänzte von Regentropfen.
    »Ja«, sagte ich.
    Und dann erzählte ich ihr, wer sie für mich war. Alles, was ich in meinem Brief geschrieben hatte, sagte ich ihr jetzt. Ich beschrieb ihre Lippen, die Augen, ihre Art zu gehen, die Worte, die sie benutzte. Ich sagte, dass ich sie liebte, obwohl ich sie nicht kannte. Ich sagte, dass ich mit ihr zusammen sein wollte. Dass es das Einzige war, was ich wirklich wollte.
    Sie ging auf die Zehenspitzen und hob ihr Gesicht zu meinem, ich beugte mich vor und küsste sie.
    Dann wurde alles schwarz.
    Ich wurde davon wach, dass mich zwei Männer an den Beinen über den Asphalt in einen Hauseingang schleiften. Der eine sprach in ein Handy, er sagte, vielleicht Drogen, wir wissen es nicht. Sie blieben stehen, beugten sich über mich.
    »Sind Sie wach?«
    »Ja«, sagte ich. »Wo bin ich?«
    »Vor Vertigo. Haben Sie Drogen genommen?«
    »Nein.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Karl Ove Knausgård. Ich glaube, ich bin ohnmächtig geworden. Kein Grund zur Sorge. Ich bin okay.«
    Ich sah Linda auf mich zukommen.
    »Ist er wach?«, sagte sie.
    »Hallo, Linda«, sagte ich. »Was ist passiert.«
    »Sie brauchen doch nicht zu kommen«, sagte der Mann ins Telefon. »Es ist alles okay. Er ist aufgewacht und scheint in Ordnung zu sein.«
    »Ich glaube, du bist ohnmächtig geworden«, sagte Linda. »Plötzlich bist du einfach zusammengebrochen.«
    »Oh, verdammt«, sagte ich. »Das tut mir leid.«
    »Das braucht dir doch nicht leidzutun«, sagte sie. »Was du mir da eben gesagt hast. Kein Mensch hat mir jemals etwas so Schönes gesagt.«
    »Sie kommen zurecht?«, fragte der eine der beiden Männer.
    Ich nickte, und sie gingen.
    »Es lag daran, dass du mich geküsst hast«, sagte ich. »Es kam mir vor, als würde etwas Schwarzes in mir hochschießen. Und

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