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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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haben.«
    Linda nickte.
    »Unser kleiner Troll.«
    Die Hebamme blieb vor dem Bett stehen.
    »Es wird Zeit, in Ihr Zimmer umzuziehen«, sagte sie. »Wollen Sie ihr vielleicht etwas anziehen?«
    Linda sah mich an.
    »Magst du?«
    Ich nickte. Nahm den kleinen, zarten Körper und legte ihn aufs Fußende des Betts, suchte den Pyjama aus der Tasche und begann, Vanja unendlich behutsam anzuziehen, während sie mit ihrer kleinen, seltsamen Stimme schrie.
    »Sie können wirklich Kinder zur Welt bringen«, sagte die Hebamme zu Linda. »Das sollten Sie öfter machen!«
    »Danke«, sagte Linda. »Ich glaube, das ist das schönste Kompliment, das man mir jemals gemacht hat.«
    »Ist es nicht toll, was für einen Start ins Leben die Kleine bekommen hat? Davon wird sie ihr Leben lang zehren.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Oh ja. Das hat schon eine Bedeutung. Aber jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und viel Glück. Vielleicht schaue ich morgen noch einmal vorbei, aber versprechen kann ich es Ihnen nicht.«
    »Vielen, vielen Dank«, sagte Linda. »Sie waren fantastisch.«
    Einige Minuten später schleppte Linda sich auf dem Weg zu unserem Zimmer durch den Flur, während ich, Vanja eng an meiner Brust, neben ihr ging. Sie blickte mit weit aufgerissenen Augen unverwandt zur Decke. In unserem Zimmer schalteten wir das Licht aus und legten uns hin. Lange lagen wir einfach nur da und sprachen darüber, was geschehen war, wobei Linda das Mädchen gelegentlich an der Brust anlegte, ohne dass sie dies sonderlich zu interessieren schien.
    »Jetzt brauchst du nie mehr vor irgendetwas Angst zu haben«, sagte ich.
    »So empfinde ich es auch«, erwiderte Linda.
    Schließlich schliefen die beiden ein, während ich rastlos und voller Tatendrang wach lag. Ich hatte ja nichts getan, vielleicht lag es daran. Jedenfalls nahm ich den Aufzug nach unten und setzte mich in die Kälte draußen, zündete mir eine Zigarette an und rief meine Mutter an.
    »Hallo, ich bin’s, Karl Ove«, sagte ich.
    »Wie sieht es aus?«, sagte sie schnell. »Seid ihr im Krankenhaus?«
    »Ja. Wir haben ein Mädchen bekommen«, sagte ich, und meine Stimme brach.
    »Oooh«, sagte Mutter. »Stell dir vor, ein Mädchen! Ist mit Linda alles in Ordnung?
    »Ja, es lief ganz toll. Ganz toll. Es ist alles in Ordnung.«
    »Gratuliere, Karl Ove«, sagte sie. »Das ist fantastisch.«
    »Ja«, sagte ich. »Aber ich wollte dir nur kurz Bescheid sagen. Wir reden morgen mehr. Ich bin … ja … ich kann im Moment einfach nichts sagen.«
    »Das verstehe ich«, sagte Mutter. »Grüß Linda und richte ihr meinen Glückwunsch aus.«
    »Mache ich«, sagte ich, beendete das Gespräch und rief Lindas Mutter an. Sie weinte, als ich es ihr erzählte. Ich zündete mir noch eine Zigarette an und sagte ihr das Gleiche. Unterbrach die Verbindung, rief Yngve an. Zündete mir eine neue Zigarette an, mit ihm zu sprechen fiel mir leichter, ich ging ein paar Minuten auf dem von Straßenlaternen beleuchteten Parkplatz umher, das Telefon am Ohr, und mir war warm, obwohl es minus zehn Grad sein mussten und ich nur ein Hemd anhatte. Ich beendete das Gespräch, starrte wild umher, was mich umgab, sollte dem entsprechen, was in mir war, aber das tat es nicht, und ich setzte mich wieder in Bewegung, ging auf und ab, zündete mir noch eine Zigarette an, warf sie nach zwei Zügen fort und lief zum Eingang, was hatte ich nur im Kopf, sie lagen doch da oben ! Jetzt! Sie waren jetzt dort!
    Linda schlief, der kleine Körper lag auf ihr. Ich betrachtete die beiden einen Augenblick, zog mein Notizbuch hervor, schaltete eine Lampe ein, setzte mich auf den Stuhl und versuchte, über das Geschehene zu schreiben, aber es geriet zu dumm, es ging nicht, stattdessen begab ich mich in den Fernsehraum,
plötzlich fiel mir ein, dass in eine Datumtafel für jedes neugeborene Kind eine Nadel gestochen werden sollte, rosa für Mädchen, blau für Jungen, eine Nadel für Vanja, die Schöne, dann lief ich zwei Runden den Flur auf und ab, nahm für eine weitere Zigarette den Aufzug nach unten, aus der zwei wurden, kam wieder hoch, legte mich hin und fand keinen Schlaf, denn in mir hatte sich etwas geöffnet, plötzlich war ich empfänglich für alles, und die Welt, in deren Mitte ich mich befand, war randvoll mit Sinn. Wie sollte man da schlafen können?
    Oh doch, am Ende konnte man schlafen.
     
    Alles war so zerbrechlich und neu, dass schon sie anzuziehen ein großes Projekt für uns war. Während Helena, die mit dem Auto gekommen

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