Lieben: Roman (German Edition)
war, um uns abzuholen, unten wartete, verbrachten wir eine halbe Stunde damit, sie herzurichten, nur um uns Helenas Lachen anzuhören, als wir aus dem Aufzug traten, ihr habt ja wohl nicht vor, sie in den Sachen in die Kälte hinauszutragen?
Darüber hatten wir nicht nachgedacht. Helena packte sie in ihre Daunenjacke, und dann liefen wir über den Parkplatz, Vanja in dem Kindersitz baumelnd, den ich in der einen Hand hielt. Alleine in der Wohnung brach Linda in Tränen aus, saß mit Vanja im Arm und weinte wegen allem Guten und Schlechten, was es jetzt in ihrem Leben gab. Ich blieb von diesem riesigen Tatendrang erfüllt, konnte nicht stillsitzen, musste etwas tun, kochen, spülen, einkaufen gehen, irgendetwas, Hauptsache, es war mit Bewegung verbunden. Linda dagegen wollte nur ruhig dasitzen, reglos mit dem Kind an der Brust. Das Licht verließ uns nicht, auch nicht die Ruhe, um uns schien eine Zone des Friedens entstanden zu sein.
Es war fantastisch.
Voller Frieden und Ruhe, gepaart mit diesem unbändigen
Tatendrang, lief ich die nächsten zehn Tage herum. Dann musste ich wieder arbeiten gehen. All das, was in meinem Leben geschehen war und in diesem Augenblick in unserer Wohnung vorging, musste ich zur Seite schieben, und über Hesekiel schreiben. Am Nachmittag die Tür zu der kleinen Familie öffnen und denken, dass es meine kleine Familie war.
Glück.
Der Alltag, mit all den neuen Forderungen, die das kleine Kind setzte, spielte sich allmählich ein. Linda beunruhigte es, mit ihr allein zu sein, es gefiel ihr nicht, aber ich musste arbeiten, der Roman musste im Herbst erscheinen, wir brauchten das Geld.
Aber ein Roman voller Sandalen und Kamele, das ging doch nicht.
Irgendwann hatte ich »Die Bibel mit Schauplatz Norwegen« und »Abraham in den Setesdalhügeln« in mein Notizbuch geschrieben. Es war ein idiotischer Gedanke, gleichzeitig zu groß und zu klein für einen Roman, aber nun, als er plötzlich zurückkehrte, benutzte ich ihn in einer ganz anderen Weise und dachte, zum Teufel, ich fange einfach an und schaue mal, was passiert. Ließ Kain in der Abenddämmerung in einer skandinavischen Landschaft auf einen Stein einschlagen. Fragte Linda, ob ich ihr das vorlesen könne, sie sagte, ja natürlich, ich sagte, aber es ist wirklich total bescheuert, verstehst du, sie sagte, dann ist es bei dir oft richtig gut, ja, sagte ich, aber diesmal nicht. Jetzt lies schon!, sagte sie auf ihrem Stuhl. Ich las den Text. Sie sagte, mach weiter, das ist fantastisch, das ist wirklich fantastisch, du musst weitermachen, und das tat ich und schrieb bis zu Vanjas Taufe, die wir im Mai bei Mutter in Jølster abhielten. Als wir nach Hause kamen, fuhren wir auf die Insel Idö in den Schären vor Västervik, wo Vidar, Ingrids Mann, ein Sommerhaus besaß. Während Linda und Ingrid mit Vanja zusammen waren, saß ich
dort und schrieb, es war Juni, der Roman musste sechs Wochen später um jeden Preis fertig sein, aber auch wenn die Kain und Abel-Geschichte abgeschlossen war, reichte sie noch nicht. Ich log zum ersten Mal meinen Lektor an und erklärte, ich wolle den Text nur noch etwas überarbeiten, während ich in Wahrheit Anlauf nahm und eine Geschichte begann, von der ich wusste, sie würde der eigentliche Roman werden. Ich schrieb wie ein Irrer, das würde niemals funktionieren, aß mittags und abends mit Linda und den anderen und schaute abends die Spiele der Fußball-EM mit ihr an, aber ansonsten saß ich in einem Kämmerchen und hämmerte auf die Tastatur ein. Als wir wieder zurück nach Hause kamen, wurde mir klar, dass es nun um alles oder nichts ging, und sagte Linda, dass ich in mein Büro ziehen würde, da ich Tag und Nacht schreiben müsse. Das kannst du nicht tun, entgegnete sie, das geht nicht, du hast eine Familie, hast du das etwa schon vergessen? Es ist Sommer, hast du das vergessen? Soll ich mich alleine um deine Tochter kümmern? Ja, sagte ich. So ist es. Nein, sagte sie, das erlaube ich dir nicht. Okay, sagte ich, aber ich tue es trotzdem. Und ich tat es. Ich war völlig manisch, schrieb ununterbrochen, schlief zwei oder drei Stunden am Tag, und das Einzige, was etwas bedeutete, war der Roman, an dem ich schrieb. Linda fuhr zu ihrer Mutter hinaus und rief mich mehrmals täglich an. Sie war so wütend, dass sie in den Hörer schrie , wirklich schrie. Ich hielt ihn einfach vom Ohr weg und schrieb weiter. Sie sagte, dass sie mich verlassen werde. Ich sagte, dann verlass mich. Es ist mir egal, ich muss
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