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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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fragte Linda, ob es okay sei, dass ich etwas aß, sie nickte, aber als ich die Hand fortnahm, rief sie im selben Moment, nein, tu das nicht!, und ich machte weiter, drückte den Knopf, dieselbe Schwester kam herein, konnte sie die Massage übernehmen? Natürlich, sagte sie und machte weiter, als ich losließ. Linda schrie. Nein, Karl Ove muss das machen! Karl Ove muss das machen! Das ist zu leicht!, während ich in Windeseile das Essen in mich hineinschaufelte, so dass ich zwei Minuten später die Massage wiederaufnehmen konnte und Linda erneut in ihren Rhythmus verfiel.
    Wehen, Gas, Massage, Pause, Wehen, Massage, Gas, Pause. Etwas anderes gab es nicht. Dann kam die Hebamme herein, legte Linda entschlossen auf die Seite und untersuchte, wie weit sich der Muttermund geöffnet hatte, jedes Mal schrie Linda, und es war ein anderer Typ von Schrei, etwas, das sie von sich stieß, dem sie sich nicht stellte.
    Sie stand wieder auf, verfiel in den Rhythmus, verschwand aus der Welt, und die Stunden vergingen.
    Plötzlich rief sie.
    »Sind wir allein?«
    »Ja«, sagte ich.
    »ICH LIEBE DICH, KARL OVE!«
    Es schien aus ihrem tiefsten Inneren zu kommen, von einem
Ort, an dem sie sonst nie war oder niemals gewesen war. Mir traten Tränen in die Augen.
    »Ich liebe dich«, erwiderte ich, aber sie hörte es nicht, da sich eine neue Welle in ihr hob.
    Es wurde acht, es wurde neun, es wurde zehn. Ich hatte keinen Gedanken im Kopf, massierte sie und behielt die Monitore im Auge, bis mir plötzlich die Erkenntnis durch den Kopf schoss: Ein Kind wird geboren. Unser Kind wird geboren. Es dauert nur noch ein paar Stunden. Dann ist es hier.
    Die Erkenntnis verschwand, und alles, was es gab, waren Graphen und Zahlen, Hände und Kreuz, Rhythmus und Wimmern.
    Die Tür ging auf. Eine neue Hebamme trat ein, eine ältere Frau. Hinter ihr ein junges Mädchen. Die ältere trat direkt vor Linda, ihr Gesicht war nur ein paar Zentimeter entfernt, und stellte sich vor. Sie sagte, Linda halte sich gut. Sagte, sie habe eine Praktikantin dabei, ob das okay sei? Linda nickte und sah sich nach der Praktikantin um. Nickte, als sie das Mädchen sah. Die Hebamme sagte, es sei bald vorbei. Sie müsse Linda jetzt untersuchen.
    Linda nickte erneut und sah sie an wie ein Kind seine Mutter.
    »Ist ja gut«, sagte die Hebamme. »Braves Mädchen.«
    Diesmal schrie sie nicht. Lag mit großen, dunklen Augen da und starrte in die Luft. Ich strich ihr über die Stirn, sie nahm mich nicht wahr. Als die Hebamme die Hand zurückzog, rief Linda:
    »IST ES SOWEIT?«
    »Bald«, sagte die Hebamme. Linda stand geduldig auf und nahm erneut ihre Stellung ein.
    »Eine Stunde, vielleicht weniger«, sagte die Hebamme zu mir.
    Ich sah auf die Uhr. Elf.
    Acht Stunden hatte Linda dort gestanden.
    »Das können wir Ihnen abnehmen«, sagte die Hebamme und befreite Linda von allen Schnüren und Kabeln. Vollkommen abgekoppelt stand sie auf einmal im Raum, ein Körper in einem Bett, und der Schmerz, gegen den sie angekämpft hatte, bestand nicht mehr aus grünen Wellen und steigenden Zahlen auf einem Bildschirm, den ich betrachtete, sondern war etwas, das in ihr vorging.
    Ich hatte es bis dahin nicht verstanden. Er war in ihr, und sie war vollkommen allein mit ihm.
    So war es.
    Sie war frei. Alles, was geschah, geschah in ihr.
    »Jetzt kommt eine«, sagte sie, und die Wehe kam, und ich presste die Hände so fest in ihr Kreuz, wie ich nur konnte. Es gab nur sie und ihr Inneres. Nicht das Krankenhaus, nicht die Monitore, nicht die Bücher, nicht die Kurse, nicht die Kassetten, nicht all diese Korridore, denen unsere Gedanken gefolgt waren, nichts von all dem, nur sie und das, was in ihr war.
    Ihr Körper war schweißglatt, ihre Haare verfilzt, der weiße Kittel hing klebend an ihr herab. Die Hebamme sagte, sie sei gleich wieder da. Die Praktikantin blieb. Wischte Lindas Stirn ab, reichte ihr Wasser, holte einen dieser Marathon-Schokoladenriegel. Linda nahm ihn gierig an. Es war fast so weit, sie schien es zu spüren, war fast ungeduldig in den Pausen, die jetzt nur kurze Momente währten.
    Die Hebamme kam wieder herein. Sie dämpfte das Licht.
    »Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich ein wenig aus«, sagte sie. Linda legte sich hin. Die Frau strich ihr über die Wange. Ich ging zum Fenster. Kein einziges Auto auf der Straße unter mir. Die Luft in den Lichtern voller Schnee. Vollkommene Stille im Zimmer. Ich drehte mich um. Linda sah aus, als würde sie schlafen.
    Die Hebamme lächelte mir

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