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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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er wissen. Ich habe keinen Führerschein, sagte ich. Du kannst nicht Auto fahren?, fragte er. Bist du nicht erwachsen?, fragte er. Alle Erwachsenen können doch Auto fahren? Daraufhin ließ er den Schlüsselbund unter meiner Nase klirren. Ich ließ ihn gewähren und dachte, dass er sicher bald aufhören würde, aber das wollte er nicht, im Gegenteil, er machte weiter. Ich habe deine Schlüssel, sagte er. Und du kriegst sie nicht. Er schüttelte und schüttelte sie unter meiner Nase. Die anderen Kinder sahen uns genauso an wie die drei Erwachsenen vom Personal. Ich machte den Fehler zu versuchen, sie ihm blitzschnell abzunehmen. Als es ihm gelang, sie wegzuziehen, lachte er laut und höhnisch. Ha ha, das schaffst du nicht, du kriegst sie nicht!, sagte er. Also versuchte ich wieder, mir nichts anmerken zu lassen. Er begann,
mit dem Bund auf den Tisch zu schlagen. Hör auf damit, sagte ich. Er grinste mich nur frech an und machte weiter. Einer der Angestellten bat ihn aufzuhören. Daraufhin hielt er inne, ließ die Schlüssel aber weiter an seiner Hand baumeln. Die kriegst du nie, sagte er. Dann schaltete sich plötzlich Vanja ein.
    »Gib meinem Papa die Schlüssel!«, sagte sie.
    Was war denn das jetzt für eine Situation?
    Ich ließ mir nichts anmerken, beugte mich erneut über meinen Teller und aß weiter. Aber dieser kleine Teufel hörte nicht auf, mich zu reizen. Klingel, klingel. Ich beschloss, ihn in Ruhe zu lassen, bis wir gegessen hatten. Trank mit seltsam erhitztem Kopf wegen so einer Lappalie einen Schluck Wasser. War es das, was Olaf, der Leiter des Kindergartens, sah? Jedenfalls wies er Jocke unvermittelt an, mir die Schlüssel zurückzugeben. Was Jocke auch ohne weiteres tat.
    Während meines gesamten Lebens als Erwachsener habe ich mich von anderen Menschen ferngehalten, das ist meine Methode gewesen, mich durchzuschlagen, und das habe ich natürlich getan, weil ich anderen Menschen in Gedanken und mit meinen Gefühlen so unerhört nahe komme, es reicht schon, dass sie nur eine Sekunde abweisend wegschauen, um in meinem Inneren einen Sturm losbrechen zu lassen. Diese Nähe gilt natürlich auch im Zusammensein mit Kindern und sorgt dafür, dass ich mich zu ihnen setzen und mit ihnen spielen kann, aber da ihnen die Firnis der Erwachsenen aus Höflichkeit und Anstand vollkommen abgeht, heißt dies auch, dass sie ungehindert hinter die äußere Erscheinung meines Charakters gelangen können, um dort nach Belieben zu wüten. Wenn es erst einmal losging, war meine rein körperliche Macht das Einzige, was ich ihnen entgegenzusetzen hatte, jedoch nicht einsetzen konnte, oder aber so zu tun, als wäre es mir egal, was vielleicht der beste Weg war, worauf ich mich jedoch nicht sonderlich gut verstand, da Kinder, zumindest die
aufgewecktesten unter ihnen, augenblicklich entdeckten, wie unwohl ich mich in ihrer Gegenwart fühlte.
    Oh, wie unwürdig das war!
    Plötzlich wurde alles auf den Kopf gestellt. Ich, dem es völlig egal war, in welchen Kindergarten Vanja ging, der nur wollte, dass dieser sie für mich betreute, damit ich täglich ein paar Stunden in Ruhe arbeiten konnte, ohne zu erfahren, was ihr widerfuhr oder wie es ihr ging, ich, der ich keine Nähe in meinem Leben wollte, der gar nicht genug Distanz bekommen, nicht lange genug allein sein konnte, musste dort auf einmal eine Woche als Angestellter verbringen und mich intensiv mit allem beschäftigen, was vorging, ohne dass es dabei geblieben wäre, denn wenn man seine Kinder brachte oder holte, war es üblich, ein paar Minuten im Spiel- oder Esszimmer oder wo sie sich gerade aufhielten zuzubringen, um sich mit den anderen Eltern zu unterhalten, eventuell auch ein bisschen mit den Kindern zu spielen, und das jeden einzelnen Werktag … In der Regel machte ich kurzen Prozess, nahm Vanja mit und zog sie an, ehe jemand entdeckte, was vorging, aber manchmal wurde ich im Flur erwischt, und es wurde eine Konversation eingeleitet, und schwuppdiwupp saß ich in den flachen, tiefen Sofas und sagte zu irgendwelchen für mich vollkommen uninteressanten Themen Ja und Amen, während die freimütigsten unter den Kindern an mir zerrten und rissen und wollten, dass ich sie hochwarf, herumtrug, im Kreis schwang, oder, wenn es sich um Jocke handelte, der im Übrigen der Sohn des Bücher liebenden und sympathischen Bankangestellten Gustav war, mich einfach nur mit spitzen Gegenständen piksten.
    An einem Samstagnachmittag und -abend zusammengepfercht an einem Tisch zu sitzen

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