Lieben: Roman (German Edition)
und mich an den Küchentisch zu setzen, sagte mir nicht sonderlich zu, so dass ich die Tür zum Badezimmer öffnete, sie hinter mir abschloss und einige Minuten reglos stehen blieb. Anschließend wusch ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser, trocknete es sorgfältig mit einem weißen Frotteehandtuch ab, begegnete im Spiegel meinem sehr finsteren Blick, in einem Gesicht, das in einer solchen Frustration erstarrt war, dass ich fast erschrak, als ich es sah.
In der Küche fiel niemandem auf, dass ich zurück war. Doch, halt, eine kleine, streng aussehende Frau mit kurzen Haaren und unscheinbaren, leicht kantigen Gesichtszügen starrte mich für einen kurzen Moment hinter Brillengläsern an. Was mochte sie nur von mir wollen?
Gustav und Linus unterhielten sich über unterschiedliche Rentensysteme, der stille Mann mit dem Fünfzigerjahrehemd hatte sein Kind, einen wüsten Jungen, mit hellen, fast weißen Haaren, auf dem Schoß und unterhielt sich mit ihm über den Fußballverein Malmö FF, während Frida mit Mia über einen Clubabend redete, den sie und ein paar Freundinnen ins Leben rufen wollten, während Erik und Mathias Fernsehmodelle diskutierten, woran Linus sich gerne beteiligt hätte, wie ich seinem langen Blick in ihre Richtung entnahm, und dem entsprechend kurzen, den er Gustav zuwarf, um nicht unhöflich zu erscheinen. Die Einzige, die sich an keinem der Gespräche beteiligte, war die Frau mit der Kurzhaarfrisur, und obwohl ich in alle anderen Richtungen sah als ihre, lehnte sie sich trotzdem schon bald über den Tisch und wollte von mir
wissen, ob ich mit dem Kindergarten zufrieden sei. Ich antwortete, das sei ich. Es gebe vielleicht ein bisschen viel zu tun, ergänzte ich, aber es sei auf jeden Fall die Mühe wert, man lerne die Spielkameraden der eigenen Kinder so gut kennen, und das fände ich wirklich gut.
Sie lächelte ohne Begeisterung zu meinen Worten. Sie hatte etwas Verletzliches, wirkte irgendwie unglücklich.
»Was zum Teufel?«, sagte Linus plötzlich und schreckte auf seinem Stuhl zusammen. »Was treiben die da draußen eigentlich?«
Er stand auf und ging ins Bad. Im nächsten Moment kam er mit Vanja und Achilles vor sich wieder heraus. Vanja zeigte uns ihr breitestes Lächeln, Achilles wirkte ein wenig schuldbewusster. Die Ärmel seiner kleinen Anzugjacke waren triefend nass. Vanjas nackte Arme glänzten feucht.
»Als ich reinkam, hatten sie die Arme so tief in der Toilette, wie es nur ging«, sagte Linus. Ich begegnete Vanjas Blick und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Den werden wir dir wohl ausziehen müssen, junger Mann«, erklärte Linus und führte Achilles in den Flur. »Und danach musst du dir gründlich die Hände waschen.«
»Das gilt auch für dich, Vanja«, sagte ich und stand auf. »Ab ins Badezimmer mit dir.«
Als sie es betrat, streckte sie die Arme über das Waschbecken und schaute zu mir hoch.
»Ich spiele mit Achilles!«, verkündete sie.
»Das sehe ich«, sagte ich. »Aber deshalb musst du ja nicht gleich die Hände ins Klo stecken, oder?«
»Nein«, sagte sie und lachte.
Ich befeuchtete meine Hände unter dem Wasserhahn, rieb sie mit Seife ein und wusch ihre Arme von den Fingerspitzen bis zu den Schultern. Anschließend trocknete ich sie ab, ehe ich ihr einen Kuss auf die Stirn drückte und sie wieder
hinausschickte. Das entschuldigende Lächeln, mit dem ich mich erneut hinsetzte, war überflüssig, denn niemand war interessiert, das kleine Intermezzo aufzugreifen, auch Linus nicht, der direkt nach seiner Rückkehr die Geschichte von dem Mann weitererzählte, der in Thailand von ein paar Affen überfallen worden war. Als die anderen lachten, hob er nicht einmal die Augenbrauen zu einem Lächeln, sondern atmete lediglich ihr Lachen ein, wie um in seiner Brust damit der Erzählung neue Kraft zu schenken, die sie auch bekam, und erst als die nächste Welle Gelächter heranrollte, grinste er, allerdings nur ein bisschen und auch nicht über seinen eigenen Witz, wie ich erkannte, sein Grinsen war eher ein Ausdruck der Befriedigung, die er empfand, weil sein Gesicht in dem Gelächter baden durfte, das er ausgelöst hatte. »Ja, ja, ja?«, sagte er und schlug rasch mit der Hand durch die Luft. Die strenge Frau, die bis jetzt aus dem Fenster gesehen hatte, schob ihren Stuhl näher heran und beugte sich erneut über den Tisch.
»Ist es nicht anstrengend, zwei Kinder zu haben, die fast gleichaltrig sind?«, sagte sie.
»In gewisser Weise schon«, antwortete ich.
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