Lieben: Roman (German Edition)
Gedanke an den Abwasch in der Küche fast erstickte, an die Zimmer, die aussahen, als wären sie systematisch durchsucht worden, als hätte jemand alles, was in Schubladen und Schränken lag, auf den Fußboden entleert, an den Dreck und den Sand auf dem Fußboden, den Haufen dreckiger Wäsche im Bad. Genau wie der Gedanke an den »Roman«, den ich schrieb, ohne auch nur einen Schritt voranzukommen. Zwei Jahre hatte ich umsonst gearbeitet. An das Beschränkte am Leben in dieser Wohnung und unsere Streitigkeiten, die immer mehr Raum einnahmen und sich immer schwerer bewältigen ließen. An die verschwundene Freude.
Mein Zorn war kleinlich, ich brauste bei jeder Lappalie auf; wen interessiert es schon, wer einmal was geputzt hat, wenn schließlich auf ein Leben zurückgeblickt, wenn die Bilanz des Lebens gezogen wird? Linda bewegte sich zwischen ihren Gemütszuständen, und wenn sie ganz unten war, lag sie nur auf der Couch oder im Bett, und was zu Anfang unserer Beziehung meine Fürsorglichkeit ausgelöst hatte, machte mich jetzt lediglich wütend: Sollte ich alles tun, während sie herumlag und faulenzte? Sicher, das ging, aber nicht bedingungslos. Ich tat es und hatte dafür das Recht, wütend und sauer, ironisch, sarkastisch, gelegentlich auch außer mir zu sein. Diese Freudlosigkeit breitete sich weit über mich selbst hinweg bis in den Kern unseres gemeinsamen Lebens aus. Linda sagte, sie bitte nur um eines, dass wir eine fröhliche Familie seien. Das wollte sie, davon träumte sie, dass wir eine fröhliche und glückliche Familie waren. Ich träumte nur davon, dass sie genauso viel
Hausarbeit übernehmen würde wie ich. Sie meinte, das tue sie, und schon standen wir uns mit unseren Vorwürfen, unserem Zorn und unseren Sehnsüchten gegenüber, mitten in dem Leben, das uns gehörte, niemandem sonst.
Wie war es nur möglich, ein Leben damit zu vergeuden, sich über Hausarbeit aufzuregen? Wie konnte es soweit kommen?
Ich wollte möglichst viel Zeit für mich haben und möglichst wenig gestört werden. Ich wollte, dass Linda, die ohnehin mit Heidi zu Hause war, sich auch um alles kümmerte, was Vanja betraf, damit ich arbeiten konnte. Das wollte sie nicht. Oder vielmehr, vielleicht wollte sie es sogar, aber sie schaffte es nicht. Bei all unseren Konflikten und Streitigkeiten ging es in irgendeiner Weise um diese Dynamik. Wenn ich wegen ihr und ihrer Forderungen nicht schreiben durfte, würde ich sie verlassen, so einfach war das. Und das wusste sie irgendwie. Ausgehend von dem, was sie für ihr Leben brauchte, verschob sie meine Grenzen, ging aber nie so weit, dass ich meinen Nullpunkt erreichte. Aber ich war ihm nahe. Meine Rache bestand darin, ihr alles zu geben, was sie verlangte, will sagen, ich kümmerte mich um die Kinder, ich putzte die Fußböden und wusch die Kleider, ich ging einkaufen, ich kochte und verdiente das ganze Geld, so dass es keine konkreten Punkte gab, über die sie sich beklagen konnte, wenn es um mich und meine Rolle in der Familie ging. Das Einzige, was ich ihr nicht gab, und gleichzeitig das Einzige, was sie wirklich haben wollte, war meine Liebe. Das war meine Art, mich an ihr zu rächen. Eiskalt sah ich zu, wie sie immer verzweifelter wurde, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt und mich getrieben von Wut, Frustration und Sehnsucht anschrie. Wo liegt das Problem?, sagte ich daraufhin. Findest du, dass ich nicht genug tue? Du bist kaputt, sagst du. Dann kann ich ja morgen die Kinder übernehmen. Ich bringe Vanja in den Kindergarten
und gehe anschließend mit Heidi raus, während du schläfst und dich ausruhst. Dann hole ich Heidi am Nachmittag wieder ab und kümmere mich am Abend um beide. Klingt das nicht gut? Dann darfst du dich ausruhen, du bist ja so kaputt. Am Ende, wenn ihr die Argumente ausgingen, schmiss und zerbrach sie manchmal Gegenstände. Ein Glas, einen Teller, was ihr gerade in die Finger kam. Sie hätte das alles für mich tun sollen, damit ich arbeiten konnte, aber das tat sie nicht. Und da für sie der Kern des Problems nicht darin bestand, dass sie zu viel tat, sondern vielmehr, dass es bei dem Mann, den sie liebte, keine Liebe gab, nur Gehässigkeit, Übellaunigkeit, Frustration und Wut, was sie so nicht in Worte fassen konnte, war der beste Weg, mich zu rächen, sie beim Wort zu nehmen. Oh, was rieb ich mir vor Schadenfreude die Hände, wenn ich sie in die Falle lockte und all ihre Forderungen erfüllen konnte. Nach dem unweigerlichen Wutanfall brach sie oft in
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