Lieben: Roman (German Edition)
»Galileo Galilei und Malaparte.«
»Verzeihung?«, sagte der mit einem Hemd bekleidete Mann in den Fünfzigern, dem die Buchhandlung gehörte, und sah mich über die viereckige Brille hinweg an, die auf seiner Nasenspitze saß.
»Im Fenster«, sagte ich. »Zwei Bücher. Galilei, Malaparte.«
»Der Himmel und der Krieg, was?«, sagte er und wandte sich ab, um sie für mich herauszuholen.
Vanja war eingeschlafen.
War die Babyrhythmik so anstrengend gewesen?
Ich zog den kleinen Hebel unter der Kopfstütze in meine Richtung und brachte sie im Wagen behutsam in eine liegende Position. Sie winkte mit einer Hand im Schlaf und ballte sie, gerade so, wie sie es als Neugeborene getan hatte. Eine der Bewegungen, die fertig in ihr gelegen hatten und die sie langsam mit ihren eigenen überwunden hatte. Wenn sie schlief, erwachten diese jedoch zu neuem Leben.
Ich schob den Wagen ein Stück zur Seite, damit die Leute vorbeikamen, und drehte mich zu dem Regal mit Kunstbüchern um, während der Antiquar die Preise der zwei Bücher in seine altmodische Kasse eintippte. Da Vanja schlief, konnte ich noch ein paar Minuten bleiben, und das Erste, was mir ins Auge fiel, war ein Fotoband von Per Maning. Was für ein Glückstreffer! Ich hatte seine Bilder immer gemocht, vor allem diese, die Reihen mit Aufnahmen von Tieren. Kühe, Schweine, Hunde, Robben. Irgendwie war es ihm gelungen, ihre Seele herauszuarbeiten.
Eine absolute Präsenz, mal geplagt, mal leer, mal eindringlich.
Aber auch rätselhaft, wie die Porträts der Maler des siebzehnten Jahrhunderts rätselhaft waren.
Ich legte es auf die Ladentheke.
»Das haben wir gerade erst hereinbekommen«, sagte der Antiquar. »Ein schönes Buch. Sie sind Norweger?«
»Ja«, sagte ich. »Ich schaue mich noch ein bisschen um.«
Eine Ausgabe von Delacroix’ Tagebüchern stand im Regal, ich nahm sie, und außerdem noch ein Buch über Turner, obwohl keine anderen Bilder durch die Reproduktion so an Wirkung verloren wie seine, sowie Poul Vads Buch über Hammershøi und einen Bildband über Orientalismus in der Kunst.
Als ich alles auf die Ladentheke legte, klingelte mein Handy. Meine Nummer kannte kaum jemand, so dass die Klingeltöne, die leicht gedämpft den Weg aus der Tiefe der Seitentasche meines schwarzen Parkas fanden, keine Unruhe in mir auslösten. Im Gegenteil. Abgesehen von dem kurzen Wortwechsel mit der Babyrhythmik-Frau hatte ich mit keiner Menschenseele mehr gesprochen, seit Linda am Morgen zur Universität geradelt war.
»Hallo«, sagte Geir. »Was treibst du so?«
»Ich arbeite an meinem Selbstgefühl«, antwortete ich und drehte mich zur Wand. »Und du?«
»Jedenfalls nicht das, was du tust. Ich sitze in meinem Büro und schaue mir die Leute an, die vorbeigehen. Was ist passiert?«
»Ich bin gerade einer schönen Frau begegnet.«
»Aha?«
»Und habe mich kurz mit ihr unterhalten.«
»Aha?«
»Sie hat mich eingeladen mitzukommen.«
»Hast du ihr Angebot angenommen?«
»Aber ja. Sie hat mich sogar gefragt, wie ich heiße.«
»Aber?«
»Sie leitet eine sogenannte Babyrhythmik-Gruppe. Also musste ich vor ihr sitzen und mit Vanja auf dem Schoß in die Hände klatschen und Kinderlieder singen. Auf einem kleinen Kissen. Zusammen mit einem Haufen anderer Mütter und Kinder.«
Geir lachte laut.
»Ich habe auch eine Rassel bekommen, die ich schütteln konnte.«
»Hahaha!«
»Ich war so wütend, als ich da raus bin, dass ich nicht wusste, wohin mit mir«, erzählte ich. »Gleichzeitig haben meine neuen breiten Hüften natürlich etwas zu tun bekommen. Und für die Speckröllchen an meinem Bauch hat sich kein Mensch interessiert.«
»Tja, die sind weich und schön«, sagte Geir und lachte erneut. »Aber warum ich eigentlich anrufe, wollen wir heute Abend ausgehen?«
»Willst du mich provozieren?«
»Nein, im Ernst: Ich dachte, ich arbeite hier bis ungefähr sieben. Danach könnten wir uns in der Stadt treffen.«
»Das geht nicht.«
»Verdammt, was bringt es mir denn, dass du in Stockholm wohnst, wenn wir uns nie sehen? Weißt du noch, wie es war, als du nach Stockholm gekommen bist?«, sagte Geir. »Als du im Taxi gesessen und mich über den Ausdruck ›unter dem Pantoffel stehen‹ belehrt hast, weil ich dich nicht in einen Nachtclub begleiten wollte? Erinnerst du dich? ›Unter dem Pantoffel‹?«
»Ja, leider.«
»Und?«, sagte er. »Welche Schlussfolgerung ziehst du daraus?«
»Dass es Unterschiede gibt«, antwortete ich. »Ich stehe nicht unter dem
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