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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Kinder.
    Dann kam eine junge, schöne Frau mit einer Gitarre in der Hand auf uns zu. Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt sein, hatte lange blonde Haare, trug einen Mantel, der ihr
ungefähr bis zu den Knien reichte, sowie lange schwarze Stiefel, und blieb vor mir stehen.
    »Hallo!«, sagte sie. »Sie habe ich hier noch nicht gesehen. Wollen Sie auch zur Babyrhythmik?«
    »Ja«, sagte ich und blickte zu ihr hoch. Sie war wirklich schön.
    »Haben Sie sich angemeldet?«
    »Nein«, sagte ich. »Muss man das?«
    »Ja, muss man. Und heute ist leider schon alles voll.«
    Das war eine gute Nachricht.
    »Schade«, sagte ich und stand auf.
    »Aber da Sie nichts davon wussten«, meinte sie, »werden wir schon noch einen Platz für Sie finden. Dieses eine Mal. Sie können sich dann hinterher für das nächste Mal anmelden.«
    »Vielen Dank«, sagte ich.
    Sie lächelte hübsch. Dann öffnete sie die Tür und ging hinein. Ich beugte mich ein wenig vor und sah, dass sie den Gitarrenkoffer auf den Fußboden legte, Mantel und Schal auszog und über einen Stuhl am hinteren Ende des Raumes hängte. Sie hatte eine frische, leichte, frühlingshafte Ausstrahlung.
    Ich ahnte, worauf es hinauslaufen würde, und hätte einfach aufstehen und weggehen sollen. Aber ich war nicht meinetwegen dort, sondern Vanja und Linda zuliebe. Also blieb ich sitzen. Vanja war acht Monate alt und ließ sich von allem, was an Aufführungen erinnerte, vollkommen verzaubern. Sie sollte dabei sein dürfen.
    Nach und nach trafen mehrere Frauen mit Kinderwagen ein, und bald darauf war der Raum erfüllt von Plaudern, Husten, Lachen, Weinen, dem Rascheln von Kleidern und Wühlen in Taschen. Die meisten schienen in Pärchen oder Dreiergruppen zu kommen. Lange sah es so aus, als würde ich der Einzige bleiben, der allein war. Kurz vor zwei trafen
jedoch zwei weitere Männer ein. Ihrer Körpersprache ließ sich entlesen, dass sie sich nicht kannten. Der eine von ihnen, ein kleiner Bursche mit großem Kopf und Brille, nickte mir zu. Ich hätte ihn am liebsten getreten. Was dachte er sich eigentlich? Dass wir zum selben Verein gehörten? Dann hieß es runter mit Overall und Kapuze und Schuhen, raus mit der Saugflasche und einer Rassel, und runter mit dem Kind auf den Boden.
    Die Mütter waren längst in den Raum gegangen, in dem die Babyrhythmik stattfinden sollte. Ich wartete bis zuletzt, aber eine Minute vor zwei stand ich schließlich auf und ging mit Vanja auf dem Arm hinein. Auf dem Boden lagen Kissen aus, auf die wir uns setzen sollten, während die junge Frau, die das Ganze leiten würde, vor uns auf einem Stuhl saß. Sie trug einen beigefarbenen, kaschmirartigen Pullover. Ihre Brüste hatten eine schöne Form, ihre Taille war schlank, die Beine, das eine lag wippend auf dem anderen, waren lang und steckten weiter in diesen schwarzen Stiefeln.
    Ich setzte mich auf ein Kissen. Platzierte Vanja auf meinem Schoß. Sie starrte mit großen Augen die Frau mit der Gitarre an, die uns nun herzlich willkommen hieß.
    »Heute sind ein paar Neuzugänge unter uns«, sagte sie. »Möchtet ihr euch vielleicht kurz vorstellen?«
    »Monica«, sagte eine Frau.
    »Kristina«, sagte eine andere.
    »Lul«, sagte eine dritte.
    Lul? Was zum Teufel war das für ein Name?
    Es wurde still. Die schöne Frau sah mich an und lächelte aufmunternd.
    »Karl Ove«, sagte ich dunkel.
    »Dann wollen wir mit unserem Willkommenslied anfangen«, sagte sie und schlug den ersten Akkord an, der verklang, während sie erläuterte, dass die Eltern den Namen ihres Kindes
sagen sollten, wenn sie ihnen zunickte, und dann würden alle den Namen des Kindes singen.
    Sie schlug den Akkord ein zweites Mal an, und alle begannen zu singen. Das Lied handelte davon, dass man seinen Freund mit Hallo begrüßen und ihm dabei mit der Hand zuwinken sollte, wobei die Eltern, deren Kinder noch zu klein waren, um dies zu begreifen, deren Handgelenke packten und mit ihren Händen wedelten, was auch ich tat, während ich, als die zweite Strophe einsetzte, keine Entschuldigung mehr hatte, stumm dazusitzen, und folglich mitsingen musste. Meine tiefe Stimme klang in dem Chor hoher Frauenstimmen wie eine Krankheit. Zwölf Mal sangen wir Hallo für unseren Freund, bis alle Kinder erwähnt worden waren und wir zum nächsten Programmpunkt übergehen konnten. Im nächsten Lied ging es um die Körperteile, die von den Kindern daraufhin natürlich berührt werden sollten, sobald sie erwähnt wurden. Stirn, Augen, Ohren,

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