Lieben: Roman (German Edition)
stand, um zu rauchen, schwarze Schatten, die durch die Sträucher glitten und plötzlich über den offenen beleuchteten Platz hetzten, um in die Sicherheit der Beete auf der anderen Seite zu gelangen. Im Moment stand dort eine der Friseusen und telefonierte, während sie eine rauchte. Sie mochte um die vierzig sein, und ich vermutete, dass sie als Kleinstadtschönheit aufgewachsen war, jedenfalls erinnerte sie mich an die Art
von Frauen, die man im Sommer in den Lokalen von Arendal sehen konnte, Frauen in den Vierzigern, deren Haare viel zu blond oder viel zu schwarz gefärbt waren, die Haut viel zu braun, die Augen zu flirtend, das Lachen zu laut. Sie hatte eine heisere Stimme, sprach in einem breiten schonischen Dialekt und war an diesem Tag ganz in Weiß gekleidet. Sie nickte, als sie mich sah, ich nickte auch. Obwohl ich kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte, mochte ich sie, denn sie war so ganz anders als die anderen Menschen, die ich in Stockholm traf, die entweder auf dem Weg nach oben waren, oben angekommen waren oder glaubten, oben zu sein. An deren Stilgefühl, das nicht nur für Kleider und Dinge, sondern auch Gedanken und Haltungen galt, hatte sie gelinde gesagt, keinen Anteil.
Ich blieb vor der Tür stehen und suchte den Schlüssel heraus. Der Geruch von Waschmittel und sauberer Wäsche strömte aus der Entlüftungsklappe über dem Fenster zur Waschküche. Ich schloss auf und betrat so vorsichtig, wie es nur ging, den Flur. Vanja kannte diese Geräusche und ihre Reihenfolge so gut, dass sie fast immer aufwachte, wenn wir hierherkamen. So auch jetzt. Diesmal mit einem Schrei. Ich ließ sie schreien, öffnete die Aufzugtür, drückte auf den Knopf und betrachtete mich im Spiegel, während wir die zwei Etagen aufstiegen. Linda, die das Schreien gehört haben musste, erwartete uns bereits in der Tür, als wir kamen.
»Hallo«, sagte sie. »Wie geht es euch? Bist du gerade wach geworden, mein Herzchen? Dann komm mal her, siehst du …«
Sie löste den Gurt und hob Vanja heraus.
»Uns geht es gut«, sagte ich und schob den leeren Wagen hinein, während Linda die Strickjacke aufknöpfte und zum Wohnzimmer ging, um zu stillen.
»Aber solange ich lebe, werde ich keinen Fuß mehr in diese Babyrhythmik setzen.«
»War es so schlimm?«, sagte sie und warf mir lächelnd
einen kurzen Blick zu, ehe sie auf Vanja hinunterschaute, die sie gleichzeitig an ihre nackte Brust legte.
»Schlimm? Es war das Schrecklichste, was ich je erlebt habe. Als ich ging, war ich außer mir vor Wut.«
»Verstehe«, sagte sie, schon nicht mehr interessiert.
Wie anders ihre Fürsorge für Vanja war. Irgendwie allumfassend. Und vollkommen echt.
Ich ging mit den Einkäufen in die Küche und legte sie in den Kühlschrank, stellte den Basilikum-Topf auf einen Untersetzer auf der Fensterbank und goss etwas Wasser hinein, holte die Bücher unter dem Wagen hervor und legte sie ins Bücherregal, stellte mich vor den PC und öffnete die Mails. Ich hatte sie seit dem Morgen nicht mehr abgerufen. Eine kam von Carl-Johan Vallgren, der mir zu meiner Nominierung gratulierte und meinte, er habe das Buch leider noch nicht gelesen und dass ich einfach anrufen solle, wenn ich die Tage mal ein Bier trinken wolle. Carl-Johan war ein Mensch, den ich wirklich mochte, all das Extravagante an ihm, das manche unangenehm, versnobt oder dumm fanden, schätzte ich sehr, nicht zuletzt nach zwei Jahren in Schweden. Aber ein Bier mit ihm trinken zu gehen, war mir nicht möglich. Da würde ich verstummen, das wusste ich; ich hatte es schon zwei Mal versucht. Dann gab es noch eine von Marta Norheim zu einem Interview in Verbindung mit P2s Romanpreis, den ich verliehen bekommen hatte. Und eine von meinem Onkel Gunnar, der sich für das Buch bedankte, schrieb, dass er Kraft sammele, um es zu lesen, mir Glück bei den Nordischen Meisterschaften in Literatur wünschte und mit einem PS darüber schloss, wie schade er es fand, dass Yngve und Kari Anne sich scheiden lassen wollten. Ich schloss das Programm, ohne sie zu beantworten.
»War etwas Interessantes dabei?«, sagte Linda.
»Na ja. Carl-Johan gratuliert. Und der Norwegische Rundfunk
möchte in zwei Wochen ein Interview mit mir machen. Und dann hat Gunnar noch geschrieben, von allen Menschen. Er wollte sich nur für das Buch bedanken. Aber das ist schon nicht schlecht, wenn man bedenkt, wie wütend er wegen Jenseits der Welt war.«
»Stimmt«, sagte Linda. »Möchtest du Carl-Johan nicht anrufen und mit ihm
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