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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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darauf bedacht zu sterben“, sagte Geron langsam.
    „Ich kann kaum atmen vor Schmerz, wenn ich versuche mich zu bewegen. Ich kann weder liegen noch stehen und vielleicht werde ich überhaupt nicht wieder vollkommen heil.“ Ninosh hätte das gerne wütend geschrien, aber dafür fehlte ihm die Kraft. Auch sprechen verursachte Schmerz und er hatte nicht das Gefühl, als würde der winzige Schluck von dem Schmerztrank wirken. Müsste er nicht längst Erleichterung spüren?
    „Ich kann niemals mehr in meine Heimat zurückkehren, ich bin ein Mörder, meine eigene Familie hat mich fortgeschickt, und Manniks Söhne haben wenige Freunde in der Bevölkerung. Wo soll ich hin? Wenn ich nicht arbeiten kann, wovon soll ich leben? Zweimal hatte ich die Erlösung unmittelbar vor Augen. Beide Male wäre es ein furchtbarer Tod gewesen, der aber wenigstens alles Leiden beendet hätte und beide Male hast du mich gezwungen, weiterleben zu müssen. Warum? Wofür? Mein Leben ist wertlos. ICH bin wertlos. Geh und rette dein eigenes Leben. Du bist wertvoll, wirst geachtet, hast eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.“
    Eine Weile lang blieb es still zwischen ihnen. Geron marschierte auf und ab, offenkundig in Gedanken versunken. Unterdessen schloss Ninosh die Lider und versuchte, alles zu vergessen, seinen Körper an erster Stelle.
    Als er gepackt und ruppig zu Boden geschubst wurde, schrie er gellend auf.
    „Nein, du kommst mir nicht so leicht davon!“, zischte Geron, während er ihm die feuchte Hose aufzwang, mit solch harten Griffen, dass Ninosh rote Punkte vor den Augen tanzen sah. „Keine Erlösung, kein friedliches Ende. Ich werde dich jeden einzelnen Schritt hinter mir herschleifen, falls nötig, und dich vor ein Kriegsgericht stellen. Dich hierzulassen wäre Mord! Glaub nicht, dass ich mich schuldig machen will, nur damit du es angenehmer hast.“
    Er zerrte und ruckte und fluchte, bis er ihm auch das Hemd über den Kopf gezogen hatte und brachte ihn dann auf die Beine.
    „Ich sage dir, welchen Wert dein Leben hat, Ninosh, jüngster Prinz von Vjalach: Es soll deine gerechte Strafe für deine Verbrechen sein!“

    Geron hatte ihn gezwungen zu laufen, bis er vor Erschöpfung zusammengebrochen war. Etwa eine halbe Stunde Rast hatte er ihm vergönnt, bevor er Ninosh weitergetrieben hatte. Als er bei jedem Schritt zu taumeln begann, packte Geron ihn am Arm und zog ihn erbarmungslos weiter, bis er endgültig umfiel. Der Bannerführer ließ ihn liegen, wie er gelandet war und verschwand für mehrere Stunden. Bei seiner Rückkehr hielt er eine erbeutete Ente in den Händen. Ohne Ninosh eines Blickes zu würdigen sammelte er Holz, machte Feuer und bereitete den mageren Vogel zu.
    Ninosh musste mittlerweile dringend austreten. Er konnte es an Ort und Stelle tun, wusste aber nicht, ob Geron darüber wütend werden würde – es war schließlich nicht angenehm, da sie hier auch schlafen würden. Außerdem ertrug er es kaum noch, flach liegen zu müssen. Sobald ihm die Kraft ausging, sich noch länger zurückzuhalten, flüsterte er: „Geron, bitte …“
    Weiter kam er nicht. Geron ließ den Stock fallen, auf den er die Ente aufgespießt hatte, flog regelrecht zu ihm, packte Ninosh am Kragen und schüttelte ihn durch.
    „Du wirst schweigen, es sei denn, ich spreche dich an, verstanden? Ich will deine Stimme nicht mehr hören! Hast du mich verstanden?“
    Hastig nickte Ninosh, halb zu Tode erschrocken über die gnadenlose Wut und die Abscheu in Gerons sonst so freundlichen dunklen Augen. Er wurde zurück auf den Boden geschubst, wo er nach Atem ringend liegen blieb. Die Schmerzen, die Gerons Attacke verursacht hatten, holten ihn erst nach einigen Minuten ein, als die Angst abklang.
    Vielleicht hatte der Mann tatsächlich Recht gehabt. Vielleicht war diese Hölle die gerechte Strafe für das, was Ninosh getan hatte.

    Finster brütend beobachtete Geron im Schein des Lagerfeuers, wie sein Gefangener sich quälte. Er wand sich winselnd am Boden, offenkundig bemüht, leise zu sein, aber unfähig, sich vollends zu beherrschen. Geron hatte ihm geholfen sich zu erleichtern und ihm seinen Anteil am Essen aufgezwungen. Ninosh hatte versucht es zu verweigern. Geron glaubte ihm sogar, dass Schmerz und Erschöpfung zu stark waren, um essen zu können. Doch wenn er wollte, dass sie morgen würden weiterlaufen können, brauchte Ninosh Nahrung. Die Drohung, ihm die Nase zu brechen, falls er nicht gehorche, hatte gewirkt. Kein Wunder, wenn man auch so

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