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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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weil er die Einsamkeit und kalte Leere kaum ertrug.
    Völlig irreal, das alles. Vermutlich gefährlich für seinen Seelenfrieden.
    Es könnte ihm nicht gleichgültiger sein.

    Fassungslos blickte Geron sich um. Nach einer zwar extrem anstrengenden, doch erstaunlich ereignislosen Fahrt hatten sie den Rest der Strecke mit ihrem Floß bewältigt und nach einer weiteren Tagesreise den Hauptstützpunkt erreicht. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht. Es war niemand am Anlegesteg und auch am etwa zweihundert Schritt entfernten Schutzwall konnte er keine Menschenseele ausmachen. Alarmiert suchte er nach Zeichen dafür, dass Feinde den Posten überrannt hatten oder irgendeine Katastrophe geschehen war, doch alles schien ruhig. Viel zu ruhig.
    „Die Flagge“, sagte Ninosh neben ihm leise und wies nach oben zum Aussichtsturm. Es war die Flagge von Nadisland, die stolz auf der Spitze wehte. Ein Anblick, der Geron zutiefst erleichterte, denn das musste bedeuten, dass nichts Schlimmes geschehen sein dürfte.
    „Vielleicht wird der Stützpunkt aufgegeben“, murmelte Geron, obwohl er sich dafür keinen Grund vorstellen konnte. Diese Stelle lag so günstig zwischen Tibba und Ugur, es gab keinen besseren Ort, sämtliche Grenzposten innerhalb kurzer Zeit erreichen zu können!
    Das Tor war verschlossen, keine Wächter standen davor. Geron beruhigte sich etwas, als er das Tor problemlos öffnen und eintreten konnte. Zwar war alles still, wo sonst beinahe Tag und Nacht Soldaten und Bedienstete herumliefen, doch er sah Licht in dem kleinen Häuschen, das dem einen Mann gehörte, mit dem er nach Baris’ Tod zumindest das Bett geteilt hatte: Noar, dem Schreiber des Hauptstützpunktes.
    Und da trat er auch bereits auf den Hof hinaus und starrte ihn und Ninosh verwirrt an.
    „Geron?“ Der stämmige blonde Mann, dem man nicht ansah, wie zierlich er zu schreiben verstand, eilte besorgt auf sie zu. „Wie bist du hierher gekommen?“
    „Auf Irrwegen“, erwiderte er grimmig, „nachdem unser Transporter durch einen Unfall gesunken ist.“
    „Davon hatte ich gehört, vier Mann haben überlebt, sie sind gestern angekommen und sofort nach Utar weitergereist. Wir dachten, es wären die einzigen … Oh Gott, ich wusste nicht einmal, dass du mit an Bord warst!“
    Er musterte Ninosh kurz, stellte allerdings keine Fragen.
    „Noar, was ist los? Warum wird dieser Posten aufgegeben?“, fragte Geron.
    „Wusstest du das etwa nicht?“ Noar schlug ihm lachend auf die Schultern. „Der Krieg ist vorbei! Irgendein Himmelsgeschöpf war so gnädig und hat König Mannik mitsamt seiner teuflischen Brut ausgelöscht. Einfach so wusch! – alle tot. Niemand weiß, wer der Attentäter war, oder vielleicht war es auch eine ganze Gruppe. Feinde hatte die Sippe schließlich mehr als genug. Jedenfalls hat jetzt irgendjemand da drüben das Ruder übernommen, auf den auch die hochadligen Heerführer hören. Die Söldner wurden größtenteils ausgezahlt und weggeschickt, mit sämtlichen bekriegten Ländern wurde ein sofortiger Waffenstillstand vereinbart. Alles ist gut. Unsere Kämpfer sind bereits alle weg, nachdem vor drei Tagen die Boten aus Utar angeritten kamen. Ich bin mit ein paar letzten Seelen geblieben, um die Vorratslager zu leeren, alles stillzulegen und so weiter.“
    Geron wusste nichts zu antworten. Ihm war sofort klar, was Noars Worte bedeuteten. Was sie für ihn und für Ninosh bedeuteten. Nur wie er damit weitermachen sollte, das wusste er nicht. In den letzten Tagen hatte er ein klares Ziel vor Augen gehabt. In den letzten Jahren war die Sicherung der Grenzlande seine Lebensaufgabe gewesen. Auf den Frieden war er schlicht nicht vorbereitet. Egal wie sehr er sich danach gesehnt hatte, dass der Krieg vorbeigehen sollte, nach solch langer Zeit hatte er nicht geglaubt, diesen Tag jemals erleben zu dürfen. Er hatte kein Zuhause mehr, seine Eltern waren tot. Das Dorf, wo er aufgewachsen war, wurde vor etwa sechs Jahren von Vjalachern niedergebrannt. Er konnte nirgends hingehen. Und Ninosh, was sollte aus ihm werden? Sollte er ihn trotz allem vor ein Kriegsgericht schleppen? Ihn nach Vjalach ausliefern, damit er für seine Taten bestraft wurde? Taten, über die Geron noch immer nicht alles wusste.
    „Es stehen viele Schlafräume leer“, sagte Noar und riss ihn damit aus seinen finsteren Gedanken. „Du und dein Begleiter, ihr könnt problemlos unterschlüpfen. Ihr seht mitgenommen aus … Den Feldscher schmeiß ich gleich aus dem

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