L(i)ebenswert (German Edition)
verdient hatte. Als er gerade soweit war, dass er sich zum Schlafen hinlegen wollte – wissend, er würde kein Auge zumachen können – rührte sich der junge Mann neben ihm plötzlich und begann sich auszuziehen.
„Was machst du da?“, murmelte Geron, krampfhaft bemüht, ihn nicht anzustarren.
„Was ich mache? Ich beende dieses würdelose Belauern. Nimm mich, dann können wir anschließend endlich schlafen. Andernfalls warten wir noch bis morgen früh, kommen nicht zur Ruhe, du nährst deinen Frust und ich meine Angst, bis einer von uns beiden platzt.“
Er legte sich atemlos keuchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht nackt vor Geron auf den Rücken und spreizte die Beine. Ein Anblick, der seine Wirkung nicht verfehlte. Die Versuchung war immens, Gerons Begierde noch viel größer. Dennoch hielt er sich zurück, denn Ninoshs schlaffes Glied und die Angst, die unterhalb des trotzigen Ausdrucks in seinen Augen flackerte, zeigten allzu deutlich, dass es nicht das war, was der junge Mann wirklich wollte.
„Nein.“ Geron musste sich räuspern, bevor er weitersprechen konnte und er hatte das Gefühl, sich mit seinen Worten beeilen zu müssen. Sollte noch mehr Blut in seine mittlere Körperregion versickern, würde er die Fähigkeit zu sprechen und kontrolliert zu handeln vermutlich gänzlich verlieren.
„Nein, ich … Bitte, zieh dich an. Ich will nicht, dass du dich für mich zur Hure machst.“
Diese Worte bereute er sofort, als sie über seine Lippen gekommen waren, doch er konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Ninosh starrte ihn an, erst fassungslos, dann wütend, zuletzt beschämt und gedemütigt. Es tat ihm körperlich weh, das mit ansehen zu müssen.
Mühsam quälte Ninosh sich hoch und streifte sein Hemd über; die Hose warf er hingegen achtlos neben sich.
„Wir wissen beide, dass du mich wieder benutzen wirst, Geron. Wenn nicht heute Nacht, dann morgen. Ich dachte, es wäre besser für uns beide, wenn ich mich freiwillig anbiete. Es würde dir das schlechte Gewissen erleichtern und mir einiges an Schmerzen und Wartezeit ersparen“, flüsterte er, den Kopf von ihm abgewandt.
Geron musterte den schmalen Rücken des jungen Mannes, der so verletzt und niedergedrückt wirkte. Er wusste, dass er sich jetzt entscheiden musste: Sollte er weitermachen wie bisher, würde Ninosh innerhalb kürzester Zeit endgültig zerbrechen. Wenn ihn weiterhin als verachtenswerten Feind betrachtete und behandelte, könnte er seinem Verlangen nachgehen, ohne sich mit Gefühlen zu belasten, doch es würde ihn die Seele kosten. Niemand konnte solche Macht über das Leben eines anderen ausüben, sich ohne Rücksicht oder Reue nehmen, was, wann und wie er es wollte, ohne bis ins Mark zu verderben.
Wollte er, dass sie beide dass hier überleben würden, musste er einen neuen Weg versuchen.
Kann ich das?, fragte er sich bitter. Seit Baris’ Verschleppung hatte er keinen Mann mehr angefasst, den er als Freund, als liebenswert, als wertvoll empfunden hatte. Mit Männern wie Noar hatte er seine körperlichen Bedürfnisse gestillt, ohne ihnen je seelisch nahe zu kommen. Ninosh mochte ein Mörder sein. Seine Taten, seit er unter Gerons Aufsicht standen, zeichneten ihn hingegen als verantwortungsvollen und ehrbaren Mann, der mutig und selbstlos handelte, bewundernswerte Tapferkeit bewies und es nicht verdient hatte, sich selbst erniedrigen zu müssen. Um ihn zu retten müsste Geron ihn nah an sich heranlassen. Dorthin, wo einzig die Erinnerung an Baris bewahrt wurde. Konnte er diesen Feind, diesen Mörder in sein Herz einlassen? Nein, unmöglich! Trotzdem, er wollte ihn nicht zerbrechen!
Gerons Verstand rang noch immer verzweifelt um eine Lösung, als sein Körper bereits handelte: Er streckte die Hand aus und legte sie behutsam auf Ninoshs Schulter. Der junge Mann zuckte schnaufend unter der Berührung, versteifte sich kurz, dann tolerierte er es auf angespannte Weise. Ermutigt rückte Geron ihm näher, brachte ihn dazu, sich zu ihm umzudrehen. Die intensiven Gefühle, die sich in dem hübschen Gesicht spiegelten, brachten jede Faser in ihm in Aufruhr. Da war mehr als Angst, Geron erblickte Hoffnung und Verlangen. Schwache Hoffnung und unterdrücktes Verlangen, doch unter anderen Umständen hätte sich vieles zwischen ihnen entwickeln können. Ninosh hatte ihn von Anfang an berührt.
„Ich will dich nicht benutzen“, flüsterte er. „Und ich will nicht, dass du die ganze Nacht darauf wartest, wann ich komme, um dich zu
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