Lieber Dylan
stehengeblieben? Ach ja, im Park. Wenn ich die ganze schreckliche Geschichte doch nur vergessen und aus meinem Gedächtnis auswischen könnte! Ich ging, oder besser hinkte, also hinüber zu den Schaukeln und tat so, als wäre ich Prinzessin Pippi (nach Pippi Langstrumpf – ich glaube, die war Schwedin, und sie war meine Heldin, als ich klein war. Stell dir mal vor, in einem Haus mit einem Affen und einem Pferd zu wohnen und – was noch wichtiger ist – ohne irgendwelche nervigen Erwachsenen, die herumgrölen, dass Gott die Queen retten soll, und dann wie Perverse die Frauen in der Zeitung anglotzen). Und gerade, als ich dort ankam, hörte ich Jessica brüllen: »George!« Ich wusste, es war Jessica, denn sie ist die Einzige, die mich nicht Georgie, sondern George nennt. Außerdem hat sie gerade angefangen, mit einem leichten amerikanischen Akzent zu sprechen. Angeblich hat sie, als sie drei war, mit ihren Eltern ein Jahr lang in Amerika gewohnt – ihr Vater arbeitet bei einer Bank, und die haben eine Filiale in New York. Jessica behauptet, als sie sprechen gelernt hat, war sie umgeben von Amerikanern, und deshalb spricht sie so ein bisschen verwaschen. Komisch ist nur, dass sie das früher nie gemacht hat. Noch vor einem Monat hatte sie einen echt vornehmen Londoner Akzent. Na, wie auch immer, jedenfalls brüllte sie wieder und wieder zu mir herüber, bis Michaela es bemerkte und anfing zurückzubrüllen. Michaela liebt Jessica, sie findet, sie sieht genauso aus wie eine der Prinzessinnen in ihren Bilderbüchern, das muss an den pinken Klamotten und den blonden Haaren liegen. Nebenbei, bevorzugst du eigentlich Blondinen? Meine Mutter liebt diesen alten Film, der Blondinen bevorzugt heißt. Warum sie den so toll findet, weiß ich nicht, denn sie hat dunkle Haare! Jedenfalls habe ich Michaela gesagt, sie soll nicht zurückbrüllen, aber sie hat mich einfach ignoriert, weiter gewinkt und »Jess! Jess!« gekreischt. Also musste ich wohl oder übel auch winken, und dann haben sie gerufen, ich solle rüberkommen.Mir blieb nichts anderes übrig, denn sonst hätte es ausgesehen, als würde ich ihnen aus dem Weg gehen. Natürlich musste ich auch weiter hinken, das hätte sonst wirklich komisch gewirkt. Glaub mir, es war ein echt auffälliges Hinken, also konnte ich nicht einfach so damit aufhören. Ich werde das nächste Stück wie ein Drehbuch schreiben, sodass du dir die ganze demütigende Szene vorstellen kannst, als würde das alles in einem Film passieren:
JESSICA R. BAILEY, KATE NUMMER 1, KATE NUMMER 2, JAMIE PHELPS UND ZWEI GENAUSO COOLE JUNGE MÄNNER sitzen auf dem Pavillon im Ruislip Gardens Park. Die Sonne scheint, und die Luft ist erfüllt von Vogelgezwitscher und den Geräuschen spielender Kinder.
GEORGIE HARRIS tritt auf, hinkt und hält ihre süße kleine Halbschwester MICHAELA an der Hand.
GEORGIE: (starrt auf den Boden) Hallo.
MICHAELA: Jess! Jess!
GEORGIE: Pssst!
JESSICA: (in leichtem amerikanischem Akzent) Hi Michaela. (Zu den Kates 1 & 2) Ohhh, ist sie nicht süß? (Zu Georgie) Was ist denn mit deinem Bein los?
GEORGIE tut so, als würde sie nichts hören.
JESSICA: (lauter) George? Was ist mit deinem Bein los? Warum hinkst du denn?
GEORGIE errötet und weiß nicht, was sie mehr hasst – dass ihre Wangen bei jeder Kleinigkeit zu brennen beginnen oder dass JESSICA sie immer George nennt, als ob sie ein Junge wäre.
GEORGIE: Nichts. Ich … äh … ich bin hingefallen.
MICHAELA: Nein, bist du nicht.
GEORGIE: (betrachtet ihre »süße« kleine Schwester) Bin ich doch, du hast mich nur nicht gesehen, als es passiert ist.
MICHAELA: Kannst du mit mir auf der Schaukel spielen, Jess?
JESSICA: Tut mir leid, Süße, wir gehen in einer Minute insKino. Willst du mitkommen, George, oder musst du (sieht auffällig zu MICHAELA) auf Du-weißt-schon-Wen aufpassen?
GEORGIE: (schüttelt traurig den Kopf) Tut mir leid.
JAMIE steht auf und kommt auf GEORGIE zu, hält einen Gitarrenkasten in der Hand.
JAMIE: Okay, Leute – ich geh dann mal.
JESSICA: Viel Spaß bei deiner Probe! (Sie kichert und senkt den Kopf.)
JAMIE: (wirft sich die Gitarre über die Schulter) Ja, danke. (Zu GEORGIE, als er an ihr vorbeigeht ) Bis bald.
GEORGIE errötet noch mehr.
JESSICA: (runzelt die Stirn) Vergiss nicht, am Montag zum Theater-Workshop zu kommen, Jamie – die brauchen da wirklich jemanden, der so toll singen kann wie du. Du kriegst die Rolle des Bugsy mit Leichtigkeit.
JAMIE: Ja –
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