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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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zum Nutzen und Frommen beider. Auch wenn das nicht romantisch klingt, es ist so. In der echten Liebe. In jener Liebe, die für immer ist.
    Ich behaupte, in der romantischen, selbstlosen idealen Liebe liebt gar keiner. Man liebt nicht mal die Liebe. Man liebt höchstens sich selbst für die Selbstlosigkeit, mit der man liebt. Dafür, dass man sagt: «Ich liebe dich», und dafür, dass man dabei Herzklopfen hat. Obwohl das Herz nur klopft, weil man tief drinnen gar nicht sicher ist, ob’s auch wirklich stimmt und ob man es nicht einfach nur behauptet. Und man liebt es natürlich, dass man jetzt also auch mal so was erlebt, was sonst immer nur die anderen erleben, auf der Kinoleinwand und in der Vorabendserie.
    In der romantischen Liebe muss man höllisch aufpassen, dass einem das Schlimmste nicht passiert: Mehr geliebt zu werden, als man selber liebt. Das wäre der Super- GAU ! Wenn man, sagen wir, zehn Kilo Liebe kriegt, aber nur acht Kilo liefert, hat man einen Gewinn gemacht, ist also ein Liebesgewinnler und damit eindeutig kein selbstlos Liebender. Man ist herabgesunken in den stinkenden Pfuhl der Drecks-Egoisten-Liebe. Darum muss man permanent überprüfen, ob man sein Selbstlosen-Soll noch erfüllt oder ob der Liebes-Output mengenmäßig ins Soll gerutscht ist. Diese permanente Liebesbuchhaltung wird natürlich von beiden Seiten geführt, ist somit eine doppelte Buchhaltung, und die wird, wie die meisten Buchhaltungen, gern ein wenig frisiert.
    Er: «Ich liebe dich.»
    Sie: «Ich dich auch.»
    Pause.
    Sie: «Ach, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.»
    Er: «Ich liebe dich auch mehr als alles … äh … im ganzen Universum.»
    Sie: «Ich habe noch nie so fest geliebt.»
    Er: «Ich auch nicht, so fest wie … wie …»
    Sie: «Wie was?»
    Er: «So … unendlich, umfassend und … ewig.»
    Sie: «Liebst du mich denn so sehr wie ich dich liebe?»
    Er: «Noch viel mehr.»
    Sie: «Mehr, als ich dich liebe, geht nicht.»
    Er: «Doch, ich liebe dich mehr als du mich.»
    Sie: «Nein, ich liebe dich mehr.»
    Er: «Nein, ich dich.»
    Sie: «Nein, ich.»
    Er: «Ich.»
    Sie: «Ich.»
    Er: «Ich.»
    Beide: « ICH .»
    Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Denn beide beginnen ihre eigene Behauptung, sie liebten mehr, als sie geliebt werden, selber zu glauben. Und sich irgendwann zu fragen, ob man, verdammt noch mal, bei so viel Selbstlosigkeit nicht mehr Liebe verdient habe? Und jetzt werden sich beide heimlich umsehen, ob da nicht jemand anderer die investierte Selbstlosigkeit angemessener und daher höher verzinst.
    Die selbstlose Liebe ist nicht nur das Ende des Selbst, sondern auch der Tod der Liebe. Die selbstlose Liebe ist das Arschlochigste, was der Mensch je erfunden hat.
    Eigentlich wollte ich mit dieser Fußnote, die unversehens zur Elefantenfußnote geworden ist, nur zeigen, dass es kein Skandal ist, wenn ich Sonjas Ultimatum – der Hürlimann oder ich – rundweg ablehne, weil Sonja, die Bäuerin ohne Traktor, genauso überflüssig ist wie Hürlimann, der Traktor ohne Bäuerin. Wenn das jetzt klar ist, können wir diese Fußnote ja endlich abschließen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Das Ultimatum
    «Dieter, wenn ich noch ein einziges Mal
Hürlimann
höre, musst du dich entscheiden: Er oder ich – du hast die Wahl.» Also hat Sonja gesprochen, und dies sehr ernst gemeint … Wir erinnern uns.
    Ich wollte aber nicht entscheiden zwischen Sonja ohne Hürlimann oder Hürlimann ohne Sonja. Es gab nur eine für mich überlebbare Variante: Sonja
und
Hürlimann! Darum hatte ich keine andere Wahl, als die Wahl, vor die mich Sonja stellte, nicht zu wählen, sondern ihr fieses Ultimatum zu akzeptieren. «Gut», sagte ich, «dann verspreche ich hiermit hoch und heilig, nie wieder das H-Wort auszusprechen.»
    «Welches H-Wort?», fragte sie listig, doch ich tappte nicht in ihre Falle.
    «Das, das mit ‹Hü› anfängt und mit ‹rlimann› aufhört. Ich werde diesen roten, wunderschönen, toll chromglänzenden Dingsbums nicht mehr erwähnen. Weder dass er kaputt ist noch wie schade, geradezu schädlich, das ist. Und auch nicht, warum er dringend wieder laufen muss, und schon gar nicht, dass ich mich frage, wie ich das je wieder hinkriegen soll. Nie wieder wird fortan und für immerdar über meine Lippen kommen, dass ich nicht weiß, wie ich diese Drecks-Kupplungsscheibe …»
    «Diiitaaaaaaaa», unterbrach mich Sonja drohend. Ich erstarrte, denn jetzt trat sie hinter einen Küchenstuhl, packte ihn an der

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