Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
finden.
Und was der Schweizer Bauer nicht fand, konnte er per Kleinanzeige suchen: «Suche Aufsteck-Bajonett für Karabiner K 31 der Schweizer Armee.» Nur so als Beispiel.
Wir abonnierten die
Bauern-Fundgrube
, und fortan war Montag «Fundgruben-Tag». Nach wenigen Wochen hatte ich heraus: Ein « 1 A. Rapid m. Zpfw. Für H.», ist ein einachsiger, berggängiger Mini-Schlepper mit einem über eine Kraftwelle angetriebenen Anhängerchen.
Auch für Unterhaltung war in dem Heft bestens gesorgt: Die subtilste und anregendste Unterhaltung war jene unter «Verschiedenes», Unterrubrik «Bekanntschaften», Unter-Unterrubrik «Heirat». Diese Hilfeschreie der Einsamkeit zogen mich in ihren Bann. Sofort lief in meinem Oberstübchen schnurrend ein Filmprojektor an und ein paar wenige Anzeigenzeilen wurden zum Kino im Kopf:
Überschrift:
En Bur met Chenderwunsch gsuecht.
Oh, pardon, zu Deutsch:
Ein Bauer mit Kinderwunsch gesucht.
Sofort erschien vor meinem inneren Auge der zu findende Bauer, der seiner Kuh, der Vroni, über die prallrunde Flanke streicht und jammert: «Mich frisst der Neid, Vroni! Du bekommst ja schon wieder ein Kalb, und ich armer Tropf werde und werde nicht schwanger. Dabei bin ich doch ein Bauer mit Kinderwunsch!»
Und nachdem die Inserentin klargemacht hatte, was ihr Begehr war, schrieb sie, was sie zu bieten hatte:
Ich, lieb, ehrlich, bodenständig und sehr naturverbunden …
Schon sah ich vor meinem inneren Auge, wie sie sich
lieb
im Spiegel betrachtet und ihre
ehrlichen
blonden Zöpfe streichelt, wobei sie eine
naturverbundene
naturfarbene Linnenbluse trägt. Prall-kugelige Waden und breite Haflinger-Fesseln blitzen unter dem schweren Rock hervor, breitbeinig und
bodenständig
steht sie in ihren Holzschuhen auf dem Holzboden ihrer Hütte und schaut tief in die kornblumenblauen Augen ihres Spiegelbildes. Dann spricht sie die nächste Zeile ihres Inserates:
… würde gerne einen großen kräftigen Bauern kennenlernen …
Schnitt: Der Bauer neben seiner Vroni wächst wie durch Zauberei zu einem Zweimeterfünfhünen, ein roter Bart sprießt ihm aus dem Gesicht, seine Brust schwillt, die Arme verdicken sich zu Baumstrünken, die Nähte seiner Bauernjoppe platzen. Die Kuh Vroni staunt nicht schlecht und zupft sich noch ein Edelweiß.
Schnitt auf das erschrockene Gesicht der lieben, ehrlichen Magd. Beschwörend ruft sie nun den Schluss ihres Kleinanzeigentextes:
… der lieb ist und es ehrlich meint!
Sie macht einen Schmollmund und stützt die sommersprossigen Arme in die breite Hüfte.
Schnitt: Der Riese klemmt sich die Kuh Vroni unter den Arm und trägt sie ganz
lieb
zum Stall. «So», sagt er, während er die Tür von außen zuschlägt und verriegelt: «
Ehrlich
gesagt, kann ich dich nicht mehr sehen mit deinem Kalbsbauch. Du bleibst da jetzt drinnen, bis auch mein Kinderwunsch in Erfüllung gegangen ist, ich meine es ernst, ehrlich!» Dann stapft er ins Haus, um einmal mehr die Kleinanzeigen der
Bauern-Fundgrube
zu studieren.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das obige Inserat ist genau so veröffentlicht worden. Auch der folgende ist ein Originaltext, vermutlich aufgegeben von der Kuh Vroni, dem einzigen schreibenden Rindvieh weltweit.
Überschrift:
Mutter-Kuhlein sucht immer noch …
Text:
Habe meinen Stier noch immer nicht gefunden, suche einen zwischen 30–43zig aus der Region Bern, der eine ernsthafte Bez. möchte. Lg vom Mutterkuhlein :-)
In derselben Ausgabe fand ich, welch ein Wunder, auch die Anzeige vom hünenhaften Besitzer der Kuh Vroni. Unveränderter Originaltext:
Überschrift:
7 oder 8?
Text:
Sieben scheint nicht übertrieben. Bin ich zu spät, sprich: zu alt? Oder findet sich noch eine Lösung? Mindestens 7 Kinder sollten es schon sein. Nun, wie solltest du sein: hübsch, natürlich. Ein großes Herz haben, Gelassenheit ausstrahlen.
Wenn das keine klare Ansage ist!
Das beste, weil ehrlichste Inserat, das wir damals in der
Bauern-Fundgrube
entdeckten, lautete schlicht und klar: «Bauer ( 32 ) sucht Frau mit Traktor. Zuschriften mit Bild vom Traktor bitte an …»
Sonja wollte unbedingt mehr über den Mann hinter der Annonce herausfinden und überlegte ernsthaft, ihm zum Schein eine Antwort zukommen zu lassen. Zum Glück hatten wir damals noch keinen Traktor, mit dessen Bild sie um seine Gunst hätte werben können.
«Würdest du dem wirklich antworten, wenn du einen Traktor hättest?», fragte ich sie.
«Nur zum Schein, um zu sehen, wie er
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