Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
schrecken hoch. Jakob schaut mich fragend an. Ich kenne diese Stimme bestens von zahlreichen spontanen «Überfällen».
«Krüpki», erkläre ich Jakob, «das ist nur Krüpki.»
«Wer isch …», will Jakob fragen, wird jedoch von Krüpki locker übertönt.
«Hör ma, ist det ’n Unfall, oder biste jetzt freiwillig unter die Schrotthändler gegangen?»
Wir starren in das dunkle Loch des offenen Scheunentors, können aber in der Schwärze niemanden ausmachen.
«Krüpki, das ist der am Ende vom Dorf, der mit den Pferden, von dem ich dir erzählt habe, von dem wir damals das erste Land kaufen konnten.»
«Und deine Hunde», tönt es aus dem Dunkel, «die haben immer noch nicht gelernt aufzupassen auf deinen Hof, wa? Machen noch immer einen auf große Schweiger. Oder sind die gleich mit hochgegangen, in den Hundehimmel, als die Mine in deiner Scheune explodiert ist?»
«Das isch jetzt wieder diese Brandenburger Direktheit, oder?», fragt Jakob grinsend.
«Bloß nicht einschüchtern lassen», erkläre ich. «Krüpkis Respekt musst du dir verdienen durch Cool-Bleiben.» Und jetzt spricht Jakob zum ersten Mal seinerseits das Wort aus, das ich an diesem Tag so oft verwendet habe: «Hä?»
«Ach, da seid ihr ja, ihr ollen Köter.» Wieder Krüpkis Organ, diesmal nur mit halbem Dezibel-Druck. «Na, is ja gut, is ja gut jetzt, is ja guuuut, sach ich, bin ja da, ja is gut, euer Meister Krüpki is ja da, ne? Muss schon wieder nach ’m Rechten sehn, bei den Neubauern, wa? Hab gehört, die bauen schon wieder mal Scheiße, wa, aber nu isser ja da, euer Krüpki, wa? Nu bringt er alles wieder ins Lot, wie immer, ihr süßen kleenen Sennen-Köter, wa?»
Und nun vollzieht Krüpki seinen Auftritt. Es hätte jeder Wagner-Oper wohl angestanden, wie er da, einem Startenor gleich, ins gleißende Licht der Scheunenbühne hineinschreitet, in seinem blauen Arbeitskittel, den klobig-schweren, braun polierten Reitstiefeln und mit seiner in allen Richtungen vom runden Schädel abstehenden weißen Babyflaumfrisur, die er allmorgendlich erfolglos mit der Bürste zu zähmen versucht und die jetzt sein Haupt umschwebt wie Elfenfäden. Links und rechts flankieren ihn die stattlichen Berner Sennenhunde und vervollständigen das imposante Gesamtbild. Beeindruckend, wirklich beeindruckend, muss ich innerlich zugeben. Jakob und ich bestaunen die erhabene Erscheinung dieser Troika wie kleine Jungs den Auftritt eines Weihnachtsmanns samt Rentieren.
«Ach du heilige Scheiße», wiederholt Krüpki seinen Anfangstext. «Och nee, ne? Ihr gehört ja eingeliefert, gehört ihr, Männer! Wat habt ihr denn mit dem schönen Trecker gemacht, det hält ja kein anständiger Mensch aus, diesen Anblick, da kriegste ja Depressionen, da vergeht dir ja alles.»
Er lässt seine wasserblauen Äuglein zwischen mir und Jakob hin und her huschen. Dann schaltet er sein Lärmorgan wieder auf volle Kraft. «Wer hat denn diese Scheiße verbrochen? Raus mit der Sprache, wer ist der Rädelsführer? Na? Krieg ich wat zu hören oder habt ihr Knödel in eure Hälsen stecken? Wer ist die Banause, will ich wissen, der das auf dem Gewissen hat?»
«Ich», sagt Jakob und steht unwillkürlich ein wenig strammer.
«’n Abend», macht Krüpki und nimmt Jakob genauer in Augenschein. «Da haste dir aber was zugetraut, wa? Erst mal allet schön wild auseinandergerupft, wa? Den ganzen prächtigen Hürlimann einfach mal so eben zerlegt, wie?»
«Ich hätte es mir lieber erschpaart, aber anders chunsch du ja an das Kuppligsschibli nicht ran», rechtfertigt sich Jakob.
Krüpki tritt frontal auf ihn zu. «Aha … Kupplungsscheibe im Arsch, wa? Kenn ich!» Jetzt pegelt er seine Lautstärke auf ein Maß herunter, das für Menschen angemessen wäre, die sich am Tisch gegenübersitzen. An den Kopfenden. Eines, sagen wir, zwanzig Meter langen Tisches. Voll besetzt mit achtzig debattierenden Fußballfans.
«Kenn ich, det ist natürlich Kacke, wa? Den Dreck hatte ich zu DDR -Zeiten och mal an der Backe, mit meinem alten Famulus. Musste getrennt werden die ganze Scheiße, wa, da half kein Heulen und kein Zähneklappern, da mussten wir durch, durch die ganze Scheiße. Auseinander geht ja noch, aber wieder zusammen, det is ja die Scheiße, wieder zusammen, darauf kommt es an, det muss man hinkriegen. Na, ich würde es nicht wieder selber machen, nie wieder, det sach ich dir, da müssen Fachbetriebe ran, det geht doch nicht so einfach mal inner Scheune. Mensch, wir sind doch jetzt im Westen,
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