Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
ihr habt ja Hafergrütze in den Köppen, da fährt man inne schöne Werkstatt und lässt mal die ran, die dett auch können, die die Möglichkeiten ausschöpfen, die der goldene Westen jetzt bietet! So ist das doch Scheiße, ist das! Mit ’nem ollen Kettenzug arbeiten diese Anfänger, und … guck dir das doch an, da liegt alles nur so offen rum, keene Hebebühne, nix habt ihr, nix, was Profis haben. Warum macht ihr denn so was? Damals inner DDR , ja, wir mussten uns ja behelfen mit so ’ner Scheiße, aber jetzt muss doch die Frage erlaubt sein, zu was wir denn die ganze Kacke mit der Wiedervereinigung auf uns genommen haben, wa? Wozu sich det Volk erhoben hat 89 ? Damit nu ihr Wessis kommt und wieder herumkaspert wie wir damals, ohne ordentliche Ausstattung! Wir hatten immerhin wenigstens noch det ausgebildete Fachpersonal, Leute, die wat verstanden haben von der Materie, aber eben keine verdammte Scheißausstattung nicht hatten. Und nu? Kommt ihr an, und der ganze Dreck geht wieder von vorne los, nur mit ohne Fachpersonal. Det ist doch …, also wirklich, det kapiert doch der dümmste Gaul, bloß ihr Scheißer nicht, ist doch aber auch wahr, Scheiße noch mal.» Unvermittelt beendet Krüpki seinen Monolog. Ich bin mir nicht sicher, ob ihm die Puste auszugehen droht, oder, was ich für sehr viel wahrscheinlicher halte, ob er, begeistert von der eigenen rhetorischen Leistung, eine kleine Pause einlegen will, um das Gesagte im inneren Nachklang noch mal richtig schön genießen zu können.
Jakob wartet zwei Sekunden ab, dann holte er Luft. «Also …» Er lässt die Luft zwischen seinen Lippen wieder herausströmen. «Pffffff … also das WC wäre im Haus, erste Tür rechts.»
Krüpki und ich wechseln ratlose Blicke.
«Wat sacht der?», fragt Krüpki schließlich.
«Ja, wissen Sie …» Jakob zieht Krüpkis Aufmerksamkeit wieder auf sich, er spricht sehr ruhig und höflich. «Wissen Sie, ich bin Schweizer, wir sind nicht so gschnäll. Ich habe etwas Mühe mit Ihrem Brandenburger Dialekt. Da han ich nicht alles, was Sie gesagt haben, so ganz vollständig verstande. Ich han nur immer wieder ‹Scheiße› ghört. ‹Kacke› kam, glaube ich, auch öfters vor. Da denk ich mir natürli, der Mann muss dringend, oder? Oder war das gar nicht das Thema?» Jetzt bedenkt Jakob Krüpki mit einem breiten Grinsen, und zu meinem großen Erstaunen erlebe ich Krüpki zum ersten Mal, seit ich ihn kenne: sprachlos!
Krüpki ist jedoch, wie sich zeigt, aus hartem Holz geschnitzt, einer, der mit allen Gäulen, auch den verstocktesten klarkommt, der lässt sich auch von einem Traktoren-Demontierer nicht in die Ecke stellen.
«Mein lieber Herr Schweizer, det se det ma gleich schnallen … ach nee, ich muss ja lang-saaam.» Krüpki redet jetzt sehr betont und in gespreiztem Schul-Hochdeutsch. «Sonder-Service für Laaangsaaame: Damit Sie das gleich ein-mal mit-be-kom-men: Des Stuhl-Ganges ent-ledige ich mir immer noch in meinem eigenen Hau-se. Und die Schei … pardon, die Sache mit dem ‹Sie›, die kannst du dir auch spa-ren. Ich bin Krüpki, und du?» Er streckt Jakob die Hand hin.
«Jakob», lacht der und schlägt herzhaft ein.
«Na, geht doch!», schreit Krüpki. «Warum machste denn so umständlich einen auf Etepetete, da kriegste ja Läuse, Mensch? So», fährt Krüpki fort und schafft tatsächlich Zimmerlautstärke, oder sagen wir: Saallautstärke. «Nu aber mal ernsthaft.» Er wendet sich mir zu. «Du raubst mir meinen Schlaf mit der Nummer, die du da abziehst, mein Lieber. Kommst bei mir erst angenölt und erzählst mir was von wegen dein Trecker ist futsch. Sachst, du kannst die Schafe nicht tränken, heulst mir die Ohren voll, bis ich Vollidiot dir denn meinen guten, altgedienten, zuverlässigen Famulus leihweise – ich betone: leihweise – zur Verfügung stelle, damit de mal siehst, was ’ne Marke ist, wa, und du nicht in die Scheiße kommst.» Er dreht sich kurz zu Jakob: «’tschuldigung, in die Bredullie», und wieder an meine Adresse: «Also damit de nicht in die Kacke kommst mit deinen Tieren, und was machst du?» Er steigert die Lautstärke wieder auf 60 Prozent, was bei Krüpki bedeutet: auf Feuerwehrsirenen-Niveau. «Und was machst duuuuu?»
«Was?», frage ich lapidar.
«Was? Fragt der mich: Was! Ich glaub, ich hör den Dünndarm pfeifen! Was sagt man denn dazu?», fragt er Jakob, der es auch nicht weiß, also fragt Krüpki den einzig weiteren Anwesenden, mich: «Was sagt man denn dazu, da
Weitere Kostenlose Bücher