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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Donner gerührt auf ein Ende der stählernen Mega-Zigarre in seinen Händen.
    Ich bin alarmiert. Seit ich ihn kenne, habe ich Jakob nie fluchen gehört.
    «Was?», frage ich. «Was ist nicht gut?»
    «Gebrochen», sagt Jakob erschüttert. «Da, am Ende, da fehlt ein Stückli. Der Herzbolzen isch gebrochen.»
    «Verstehe», sagte ich. Und ich verstand wirklich: Das Wort «Herz» in Kombination mit «gebrochen», das ist nie gut. Noch nie gewesen. Diese Kombination hat Krieg und Umstürze verursacht, hat edle Geister zu Monstern werden lassen und Heerscharen von Menschen in Tod und Verderben gestürzt. Und jetzt auch noch den Hürlimann ruiniert. Mir wird schlecht.
    «Und … jetzt?», frage ich.
    «Brauchen wir en neue Herzbolze», stellt Jakob fest.
    «Aber der ist ja schon seit langem gebrochen», argumentiere ich hektisch. «Ich bin doch mit dem so rumgefahren, es ging doch, trotz des gebrochenen Herzbolzens. Den bauen wir einfach trotzdem wieder ein wie er ist, und gut!»
    «Genau», sagt Jakob und sieht mich an, als hätte ich vorgeschlagen, im Heulager am offenen Feuer Servelats zu grillieren. «Super Idee, Dieter, wir bauen ihn wieder ein, du schließt eine Lebensversicherig über zehn Millione ab, und dann isch ’s nur noch eine Frage der Zeit, bis dyni Sonja eine schwerreiche Witwe ischt.» Er schnaubt die Idee verächtlich weg. «Möchti wüsse, wie der brechen konnte. Der Traktor muss aus relativ großer Höhe brutal auf den Bode krachet sy», kombiniert Jakob. «Bis so ein Herzbolzen verchlöpft, bruucht’s dann also en mordsgwaltigen Schlag, weisch wiä, hä!»
    Kommissar Jakob mustert mich mit strengem Blick. Augenblicklich beschleicht mich jenes diffuse schlechte Gewissen, das sich, kaum wird man verdächtigt, reflexartig einstellt, selbst wenn man unschuldig ist wie ein frisch geborenes Lamm.
    «Also, raus mit der Sprache.» Jetzt forderte Jakob ein Geständnis. «Was hascht du mit dem Hürlimaa angestellt?»
    «Nichts … Also
ich
weiß von
nichts
. Ich hab den Hürlimann
nie
fallen lassen, das würde ich doch
niemals
tun, ich
schwöre

    Jakob bleibt misstrauisch. «So ein Hürlimaa-Herzbolze bricht nöd einfach wegen nichts.»
    Ich zucke mit den Schultern und versuche, seinem stechenden Verhörblick standzuhalten. Da, plötzlich, sackt mein Freund in sich zusammen und winkt resigniert ab. «Isch ja auch egal. Kaputt isch kaputt.»
    Er starrt fassungslos auf den Herzbolzen in seinen Händen.
    Eine Erinnerung aus Kindertagen taucht in mir auf: Genau so hatte mein kleiner Bruder dagestanden, damals, mit seiner Griechischen Landschildkröte, die aus dem Winterschlaf nicht mehr aufgewacht war. «Es wird wieder gut», hatte ich ihn damals zu trösten versucht, wohl wissend, dass nie wieder etwas gut werden würde, jedenfalls nicht für die Schildkröte.
    «Es wird wieder gut», flüstere ich Jakob zu und berühre ihn sanft am Oberarm.
    «Ja natürli wird’s wieder gut!», ruft er, meine Hand unwillig wegschubsend. Sein Gesicht ist ein einziger Vorwurf. «Was meinsch denn du? Logisch bekommen wir das hin! Aber nicht bis übermorgen. Ich han nicht die leiseste Ahnung, wo ich so einen Herzbolze hernehmen soll, jetzt! Mitten im Ussland, in der Hürlimaaa-freien Zone, in so churzer Zeit! Am einfachsten wäre es, wenn ich selber einen mache. Müsste den kaputten da vermessen, den genauen Härtegrad analysieren, ein identisches Stück Edelstahl finden und eine Drehbank organisieren, wo das packt, auf den Hundertschtel genau. Und dann müsste ich wieder herkommen und ihn einbauen, das kannst du nicht alleine. Aber das braucht Wochen. Alles in allem Monate.»
    «Ich organisiere mir schon irgendwie einen Ersatztrecker, bis es so weit ist, Jakob, das geht schon. Irgendwie. Mit Glück.» Ich klinge nicht sehr überzeugend, was wohl daran liegt, dass ich meinem eigenen Optimismus nicht vertraue. Nicht wirklich. Wie sollte ich jemanden finden, der einen funktionierenden Trecker besitzt, aber nicht selber braucht und ihn darum herborgen kann? Das ist mindestens so schwierig zu finden wie einen Herzbolzen.
    Jakob legt das Metallstück sanft auf den Betonboden. Ein helles, hoffnungsfrohes «Kling» ertönt, wie von einem zarten Kapellenglöckchen. Dann greift er nach der Kaffeetasse, nimmt einen Schluck von der erkalteten Brühe und wischt sich über den Mund.
    «Kä Chance», stellt er fest. «Wir können ihn nicht zusammenbauen. Also haben die jetzt doch rächt, dieser Teddy und dieser Krüppi, oder wie er

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