Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
seinen Latex-Volltreffer. «Glück», sagt er nur und grinst.
«Nein, Können», erwidere ich. «Jakob, du bist der Größte, danke, ohne dich wäre der Hürli nie wieder gefahren, und meine Tiere wären verhungert.»
«Das wär aber scho no schad gsy, oder? Aber wir sind nanig fertig. Aufräumen!»
«Wäre es nicht sinnvoller», schlage ich vor, «zuerst eine Testfahrt zu machen, bevor wir das Werkzeug versorgen?»
«Dä lauft!», meint Jakob mit fester Stimme. «Und wenn nöd, hock ich in meinen Pick-up und fahr sofort ab, damit ich’s laute Lachen von deinen Amerikanern nicht ghöre. Und da hätt ich mein Zeug schon vorher fein süüberlich hinten auf der Ladefläche verstaut.»
Nachdem wir die letzte Zange und den letzten Schlüssel auf den Pick-up verfrachtet und den Hürli-Operationssaal wieder in eine besenreine Scheune zurückverwandelt haben, ist es so weit: Gleich werden wir den Zündschlüssel drehen und andächtig dem charakteristischen Pröck-Pröck-Prott-Prott-Prott-Prott des Traktors lauschen. Doch weit gefehlt. Jakob löst stattdessen die Handbremse, prüft, ob der Ganghebel auf «neutral» steht, und stellt sich, eine Hand am Lenker, neben den Traktor.
«Rausschieben», befiehlt er.
«Warum nicht rausfahren?», will ich wissen. «Hast du Angst, dass er explodiert?»
«Hilf», kommandiert mein Freund, der Hürlimann-Gott, und ich gehorche. Was sonst?
«Wir sind immer nanig fertig», kommt es abermals von Jakob, als der Hürlimann unter dem freien weiten Himmel Brandenburgs steht. Er drückt mir einen Lappen in die Hand. «Fang du schon mal mit der Kühlerhaube an, ich hol Wasser.» Und ich begreife: Eine würdige Testfahrt ist nur mit blitzsauber gewienertem Gerät möglich. Das erste der Zehn Gebote des Hürlimann-Gottes. Ich wage keinen Widerspruch, um nur ja nicht mit Gebot Nummer Zwei in Konflikt zu kommen: Liefern statt lafern.
Nachdem wir auch dieses «Noch-nicht-fertig» fertig haben, stellt sich Jakob neben die chromblitzende Traktorschnauze, vollführt mit dem Arm einen Halbkreis Richtung Fahrersitz und sagt: «Jetzt kannscht du ihn mal anlassen.»
Ein Freudenfeuerwerk geht in meinem Inneren ab, das selbst die Silvesterknallerei am Brandenburger Tor wie Glühwürmgeplänkel aussehen lässt. Mit heißen Ohren, vermutlich leuchten sie mit dem rot glänzenden Lack des Traktors um die Wette, nähere ich mich dem Thron des Landmannes: dem Fahrersitz. Doch dann verharre ich. Ich kann nicht aufsteigen. «Nein, Jakob, das geht nicht. Die erste Fahrt gehört dir.»
«Verzell keine Romantik, mach», brummt der, doch das Leuchten in seinen Augen verrät ihn.
«Ich seh’s dir an, Jakob, du willst jetzt, und zwar genau jetzt, Hürlimann fahren. Und zwar genau diesen Hürlimann. Es ist dein Werk, du machst den Test!» Meinen letzten Worten gebe ich jenen festen, bestimmenden Unterton, der keinen Widerspruch duldet.
«Also guät, dänn halt.» Jakob löst sich vom Kühler. «Wenn du der Sache nöd trousch …» Er zieht ein Blatt Papier und einen Kuli aus der Brusttasche seiner Mechaniker-Latzhose. «Jetzt muscht du mir, Dieter, aber noch genau aufzeichnen, wo dä … äh … dä Teddy – so seisch du ihm doch, oder –, wo dä daheim isch.»
Ich kritzelte eine Skizze von Amerika und zeichne dort, wo Teddys Haus steht, ein Kreuz, Jakob verlangt zwei weitere Kreuze. Ich beschrifte sie mit «Krüpki» und «Müsebeck». Der Hürlimann-Gott starrt konzentriert auf das Blatt, scannt es und speichert die Zeichnung in seinem Bio-Computer. Schließlich faltet er den Zettel zusammen, steckt ihn ein und schwingt sich auf den Traktor.
«Machsch du de Türli-Maa?», bittet er.
Und während ich zum Tor gehe, um es zu öffnen, höre ich in meinem Rücken, wie der Hürlimann ins Leben zurückkehrt. Heach-Heach-He-He-He-Pröck-Pröck-Prott-Prott-Prott-Prott. Jakob legt den Gang ein und lässt vorsichtig die Kupplung kommen. Sanft greift sie, überträgt die Kraft des Motors auf das Getriebe, die Achse, die Räder, den Boden … der Hürlimann … fährt!
Hoch aufgerichtet knattert Jakob an mir vorbei, während er mit heldenhafter Disziplin, aber nur mäßigem Erfolg versucht, seine Mimik auf cool zu trimmen und die Freudezuckungen seiner Mundwinkel unter Kontrolle zu halten. Ich bleibe beim Tor stehen und sehe zu, wie ein Mann mit roter Latzhose auf einem roten Traktor alle Gänge rauf- und runterschaltend die Dorfstraße entlangfährt, immer kleiner wird, bis er am Dorfende rechts abbiegt, zu
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