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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Stahlrohrrahmen, der als primitiver Mitfahrplatz auf dem Schutzblech über dem Hinterrad angeschweißt ist.
    Jakob steht seelenruhig rauchend am Tor, flankiert von einem mit einer Schnapsflasche ohne Etikett winkenden Krüpki und Bauer Müsebeck, der kurz mit dem Zeigefinger an sein schmalkrempiges schwarzes Lederhütchen tippt. Teddy und ich umkurven pröckend, aber souverän das Dreiergrüppchen und preschen geradewegs mitten auf den Hof. Ich ziehe den Zündschlüssel. Stille breitet sich aus.
    Langsam, gefolgt von den beiden anderen, kommt Jakob in jener demonstrativen Lässigkeit herbeigeschlendert, die selbst John Wayne vor Neid hätte erblassen lassen. Ruhig zupft er seine Zigarettenkippe aus dem Mundwinkel und schnippt sie cool unter den Hürlimann. Er gibt sich Mühe, Teddy geflissentlich zu ignorieren. «Und?», fragt er zu mir herauf.
    Ich wiederhole seine eigene Testfahrt-Wertung. «Nicht schlecht! Sogar besser als vorher. Kupplung kommt sanfter denn je, haben wir perfekt justiert. Die Kraft überträgt sich vom Getriebe wieder völlig verlustfrei auf den Boden.» Fieberhaft versuche ich mich an aufgeschnappte Formulierungen von
auto-motor-sport
-Testfahrern zu erinnern und lege kräftig nach: «Die Lenkung hält das Fahrzeug neuerdings auf Spur wie einen ICE . Die Bremsen beißen aggressiv, und der kraftvolle Viertakter lässt auch im unteren Bereich des Drehmoments keine Wünsche offen. Die perfekt ausbalancierten Ventile verdichten optimal und sprechen die souveräne Sprache eleganter Kraft. Das höchste der Gefühle jedoch stellt zweifellos die jetzt wieder flexible Vorderachse dar: Luxus pur. Dank des eigens gefertigten Titanium-Herzbolzens, der nun im Epizentrum der robust konzipierten Einzelradaufhängung treu seinen Dienst verrichtet.»
    Jakob nickt ernst. «Ich hät’s nöd besser formulieren chöne.» Dann wendet er sich überraschend an Teddy: «Stimmt doch, oder?»
    Teddy schnaubt. Er deutet mit dem Kinn zu Krüpki, der jetzt mit Müsebeck vor der Hürlimann-Schnauze Position bezogen hat. «Schnaps, Krüpki. Ich brauch ’n Schnaps jetzte!»
    «Nu mal langsam mit die junge Pferde!», schreit der und verbirgt die Flasche hinter seinem Rücken. «Erst mal darf ich um einen wahrheitsgemäßen und detaillierten Fahrbericht bitten, Teddy, ja? Wat nämlich unser Neubauer da intellektuell rumlabert, in der Hoffnung, der alte Krüpki sei zu belämmert, da mitzukommen, wa, was einer eklatanten Fehleinschätzung meiner Person gleichkommt, bin ich doch immerhin und nicht umsonst mit einer Frau Doktor der Chemie verheiratet, und glaubt mir, ich versteh meine Lotte, aufs Wort versteh ich die, also, was dieser Hürlimann-Eigner da herumsalbadert, das ist ja möglicherweise – und aufgemerkt, ich sag mööööglicherweise – gequirlte Enddarmverlassenschaft, und ich bitte den Herrn Arbeitsbanner-Stufe-eins-Träger, unseren Oberchefmechaniker hier, bemerkt haben zu wollen, dass ich an dieser Stelle das von ihm weit unterschätzte, aber nichtsdestotrotz in unserer Gegend traditionell gern verwendete und vielfach bewährte Wort ‹Scheiße› zu vermeiden gewusst habe. Ich frage mich, ist etwa der Weihnachtsmann da gewesen und hat ’nen neuen Hürlimann vorbeigebracht, oder wat, oder am Ende vielleicht Karl Marx persönlich? Haben se nu wieder die Wunder fürs werktätige Volk eingeführt oder wat? Also, Teddy, läuft nun dieser Scheißtrecker einwandfrei oder zieht unser Kleinbauer hier nur ’ne Kacknummer ab? Jetzt raus mit der Sprache, Teddy, wenn ich mal eben in aller Bescheidenheit drum bitten dürfte!»
    Der solcherart Angesungene ist inzwischen in aller Ruhe vom Trecker gestiegen, hat sich seitlich gegen denselben gelehnt und den angewinkelten Ellenbogen lässig auf die Kühlerhaube gelegt. Ungerührt lässt er jetzt einige angenehm stille Sekunden der absoluten Ruhe verstreichen, bevor er sagt: «Jo.»
    «Was jo? Haste Petersilie in die Ohren? Ich hab um einen detaillierten Bericht gebeten!»
    «Jo, läuft.»
    «Läuft?» Krüpki breitet seine Ärmchen melodramatisch aus, als würde er die Götter anrufen wollen, das durchsichtige Glas der Schnapsflasche in seiner Rechten glitzert in der Sonne. «Läuft? Wie läuft er,
wie
? Das ist hier die Frage! Und die Antwort entscheidet über Schnaps oder kein Schnaps, Teddy!»
    Teddy lässt sich wieder Zeit. «Na ja.» Er zuckt mit den Schultern. «Jut.»
    «Ist das alles?», empört sich Krüpki. «Jo … läuft … jut? Ist jetzt das der ganze

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