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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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Krüpkis Hof, und aus dem Blickfeld verschwindet.
    Ich schließe die Augen, atme tief durch und genieße die Bilder, die mir nun via Ohren vors innere Auge gezaubert werden:
Jakob kommt vor dem Krüpki-Hof zum Stehen, macht im Leerlauf, den Motor immer wieder auf höchste Drehzahl peitschend, ziemlich viel Krach, jetzt Rückwärtsgang, Knatter-Knatter, Vorwärtsgang, Knatter-Knatter, wieder Leerlauf. Niedrige Drehzahl, offensichtlich dreht Jakob jetzt ein paar Ehrenrunden auf Krüpkis Vorplatz.
Jetzt höre ich ihn hochschalten, zweiter Gang, dritter Gang, vierter Gang. Der Hürlimann entfernt sich, ist hinter der Häuserzeile gegenüber der Dorfpfuhle kaum noch zu vernehmen, wird wieder lauter …
    Aha, da taucht er auf, hinter den Büschen am anderen Ufer des Teichs, biegt links ein, entschwindet dem Blick … Abermals Ohrenkino:
    Runterschalten, dritter, zweiter, erster Gang. Leerlauf, hohe Drehzahl, Rückwärtsgang, Leerlauf, Vorwärtsgang, offenbar demonstriert Jakob vor dem Haus, in dem sich Teddy eingemietet hat, akustische Präsenz. Rangieren, Jakob wendet …
Er wird wieder sichtbar hinter den Büschen, verschwindet hinter Frau Widdels Laden …
Runterschalten, Zwischengas …
Jetzt wird er wieder sichtbar, biegt wieder in die Dorfstraße ab, diesmal nach links Richtung Müsebeck-Hof, in höchster Drehzahl und entzieht sich abermals dem Blick …
    Er wird leiser und leiser, jetzt dasselbe Spiel wie vorher bei Krüpki, nur ganz schwach zu hören, Leerlauf, Vollgas, erster Gang …
    Jakob gibt in ganz Amerika ein Hürlimann-Konzert. Und drei ganz bestimmten Amerikanern bietet er jeweils eine Extra-Motoren-Sinfonie dar.
     
    Endlich steigt Jakob ab, er hat den Hürli am Straßenrand, direkt vor unserem Hoftor, zum Stehen gebracht. «Nöd schlächt», sagt er anerkennend, sein Gesicht leuchtet. «Jetz du!»
    Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, rauf auf den Hürlimann und los. Der Motor arbeitet ruhig, die Gänge lassen sich geschmeidig einlegen, die Kupplung kommt ungewohnt schnell, aber sanft, es ist wie früher, als alles noch besser war, nur jetzt noch besser, weil es jetzt ist. Ich tuckere bis zum Dorfrand, wende, und dann sehe ich eine große runde Gestalt auf dem schmalen Grün zwischen Häusern und Straße stehen. Im runden Gesicht, zwei staunend aufgerissenen runde Augen und ein runder offener Mund. Knapp bevor ich auf Höhe des großen Mannes bin, schalte ich runter, Zwischengas, Bremse, noch mal runterschalten, Zwischengas, Leerlauf … und komme zum Stehen. Teddy klappt den Mund zu. «Dette gloob ich nich. Dette gloob ich einfach nich!»
    «Was denn, Teddy?», frage ich unschuldig. «Was ist denn so schwer zu glauben?»
    «Ich gloob, ich tu spinnen. Wo haste denn so schnell ’nen neuen Hürlimann her, Mensch?»
    «Das ist kein neuer, das ist mein alter Hürlimann. Siehst du doch, Teddy!»
    «Wohl seh ich det, nur glooben tu ich det nich. Det dette det Alteisen sein soll, wo ich in deiner Scheune hab liegen sehn, wie ’n ausgeweideter Bock. Det dette detselbe wie dette sein tut, dette … dette … kannste du nich hinjekriecht haben!»
    «Stimmt, Teddy, hab ich auch nicht. Aber Jakob, der hat dette mit dette hinjekriecht», mache ich ihn nach. Teddy winkt verächtlich ab: «Vergiss dette, det Brandeburgische, det lernst du nie!»
    Da hat er wohl recht. Also liefere ich die Variante in Hochdeutsch: «Jakob hat dieses landwirtschaftliche Nutzfahrzeug, berühmt und beliebt unter dem Namen Hürlimann, zerlegt, totalrevidiert und wieder in fahrtüchtigen Zustand versetzt, durch Anwendung des Detailwissens, das für eine fachgerechte Remontage unerlässlich ist.»
    «Und?», fragt Teddy. «Läuft?»
    «Hast du doch gesehen, Teddy! Ich kann’s dir auch noch in Schweizerdeutsch verdeutlichen: De Jakob hätt en usenand gnoh, gflickt, zäme bout und jetz lauft er!»
    «Is ja jut!», wehrt Teddy ab. «Da kriegt man ja Knoten in die Ohren, wenn man so wat hören tut!» Vorsichtig nähert er sich und taxiert den Hürlimann misstrauisch. Dann kickt er mit der Fußspitze leicht gegen den Vorderreifen. Zu Teddys Überraschung bricht das Rad nicht weg. Teddy blickt zu mir hoch. «Ohne Tricks jetze … Der läuft in echt wie vorher?»
    «Besser», antworte ich und kann einen gewissen gönnerhaften Unterton nicht vermeiden. «Steig auf, ich zeig’s dir.»
    Teddy wuchtet sich mit einiger akrobatischer Anstrengung auf den Trecker und quetscht seine nicht eben kleine Rückenverlängerung in den engen

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