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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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welches sich ein Aufsichtsrat erlaubt. Ich nannte Mais und Bohnen und Zwiebeln und Erbsen und Tomaten und Rüben und Karotten und Möhren als wünschenswerten Ersatz.
    Sterry erklärte: Wenn Kartoffeln und Kraut für ihn gut genug seien, dann würden sie wohl auch für Wohlfahrtskinder genügen.
    Ich fuhr unbeirrt fort zu erklären, daß das Kartoffelfeld von einem Hektar Größe gepflügt, gedüngt und in sechzig Einzelgärten aufgeteilt werden solle, bei welcher Arbeit die Buben helfen würden.
    Nun explodierte Sterry. Das Feld sei das wertvollste Stück Erde auf dem ganzen Grundstück. Wenn ich es in Spielgärten für die Dreckerei der Kinder umwandelte, würde ich nach seiner Meinung verdammt schnell vom Aufsichtsrat hören. Das Feld sei für Kartoffeln geeignet, es seien dort immer Kartoffeln gezogen worden, und es würden dort weiter Kartoffeln gezogen, solange er etwas zu sagen habe.
    „Sie haben nicht das Geringste zu sagen“, antwortete ich liebenswürdig. „Ich habe beschlossen, daß das Feld am besten für die Gärten der Kinder geeignet ist, und Sie und Ihre Kartoffeln werden weichen müssen.“
    Woraufhin er in einem Sturm bäuerlicher Wut aufstand und sagte, er sei verdammt, wenn er durch eine Unzahl verdammter Stadtkröten seine Arbeit stören lassen werde.

    Ich erklärte — für eine Person mit irischen Vorfahren mit viel Ruhe —, daß diese Anstalt zum ausschließlichen Wohl der Kinder geführt wird; daß die Kinder nicht hier sind, um zum Wohl der Anstalt ausgebeutet zu werden, eine Philosophie, die ihm nicht einging, obwohl meine gewählte Sprache eine leicht dämpfende Wirkung hatte. Ich fügte hinzu: vom Farmer werde verlangt, daß er die Fähigkeit und Geduld habe, die Buben im Gärtnern und in einfachen Außenarbeiten zu unterrichten; ich wünschte einen Mann mit umfassender Sympathie zu haben, dessen Beispiel einen anfeuernden Einfluß auf diese Kinder aus den Stadtstraßen habe.
    Sterry lief auf und ab wie ein eingesperrtes Murmeltier, erging sich in einer Tirade gegen lächerliche Sonntagsschul-Ideen, und verbreitete sich — mit einem Übergang, den ich nicht ganz erfaßte -— über das allgemeine Thema des Frauenwahlrechts. Ich schloß daraus, daß er der Bewegung nicht gewogen ist. Ich ließ ihn argumentieren, bis er still war. Dann gab ich ihm einen Scheck mit seinem Gehalt und wies ihn an, bis Mittwoch um zwölf das Pächterhaus zu räumen.
    Sterry sagt, er will verdammt sein, wenn er das tut (verzeih die vielen verdammt. Es ist das einzige Adjektiv des Kerls). Er sei vom Präsident des Aufsichtsrats für diese Anstalt in Dienst gestellt worden und werde sich nicht aus jenem Haus bewegen, bis der Präsident des Aufsichtsrats ihm befohlen habe, zu gehen. Ich glaube nicht, daß der arme Sterry sich des Regimewechsels bewußt ist, der sich seit seinem Eintritt vollzogen hat.
    Alsdann. Du weißt nun die Geschichte. Ich spreche keine Drohungen aus. Aber: Sterry oder McBride — Ihr habt die Wahl, lieber Herr.
    Ich bin außerdem im Begriff, an den Leiter des Landwirtschaftlichen College von Massachusetts in Amherst zu schreiben, damit er einen rechten, praktischen Mann mit einer netten, tüchtigen, fröhlichen Frau empfiehlt, der unser bescheidenes Gebiet von acht Hektar übernimmt und die richtige Persönlichkeit für unsere Buben ist.
    Wenn wir den landwirtschaftlichen Teil dieser Anstalt in Gang bringen, sollte er nicht nur Bohnen und Zwiebeln für den Eßtisch liefern, sondern auch eine Lehrzeit für Hand und Hirn.
    Ich verbleibe, mein Herr,
    aufs aufrichtigste
    S. McBride
    Leiterin des John-Grier-Heims

    PS. Ich glaube, daß Sterry wahrscheinlich einmal bei Nacht zurückkommt und Steine durch die Fenster wirft. Soll ich sie versichern lassen?

    Mein lieber Feind!
    Sie sind heute nachmittag so schnell verschwunden, daß ich keine Zeit hatte, Ihnen zu danken. Aber der Widerhall der Entlassung ist bis zu meiner Bibliothek durchgedrungen. Ich habe mir auch die Trümmer angesehen. Was in aller Welt haben Sie mit dem armen Sterry angefangen? Als ich die Entschlossenheit Ihrer Schultern sah, mit der Sie der Remise zuschritten, hatte ich plötzlich Gewissensbisse. Ich wollte nicht, daß der Mann ermordet wird, nur daß ihm Vernunft beigebracht werde. Ich fürchte, Sie waren ein wenig hart.
    Doch scheint Ihre Technik wirksam gewesen zu sein. Das Gerücht besagt, daß er nach einem Möbelwagen telefoniert hat, und daß Mrs. Sterry schon jetzt auf den Knien ist und den Teppich im guten

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