Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
Vom Netzwerk:
Leben, wenn es erfährt, daß es drei vollkommen private Kleider im eigenen Besitz haben wird, jedes in einer anderen Farbe, die es selbst aussuchen durfte. Und Du solltest sehen, wie es ihrer Näherei zugute kommt; sogar die kleinen Zehnjährigen werden plötzlich zu Näherinnen. Ich wollte, ich könnte mir einen ebenso wirksamen Weg ausdenken, damit sie sich fürs Kochen interessieren. Aber unsere Küche ist alles andere als erzieherisch. Du weißt, wie hemmend es für die Arbeitsbegeisterung ist, wenn man einen Zentner Kartoffeln auf einmal schälen soll.
    Ich glaube, Du hast mich schon sagen hören, daß ich meine Kinderchen gerne in zehn nette kleine Familien mit je einer freundlichen Hausmutter aufteilen würde? Wenn wir nur zehn malerische Häuser hätten, mit Blumen im Vorgarten, und Hasen und Kätzchen und Hühnern im Hof, wären wir eine höchst vorführenswerte Anstalt und müßten uns nicht schämen, wenn die Wohltätigkeitssachverständigen uns besuchen kommen.

    Donnerstag.
    Diesen Brief habe ich vor drei Tagen angefangen. Ich wurde unterbrochen, um mit einem eventuellen Wohltäter zu reden (fünfzig Zirkusbillette), und seitdem batte ich keine Zeit, meine Feder wieder in die Hand zu nehmen. Betsy war drei Tage in Philadelphia als Brautjungfer für eine blöde Cousine. Ich hoffe, daß keine weiteren Mitglieder ihrer Familie ans Heiraten denken; so was ist höchst störend für J.G.H.
    Während sie dort war, untersuchte sie eine Familie, die um ein Kind gebeten hatte. Natürlich sind wir nicht für derartige Untersuchungen eingerichtet. Aber hie und da, wenn uns eine Familie gerade in den Arm läuft, versuchen wir, die Sache selber durchzuführen. Für gewöhnlich arbeiten wir mit der Staatlichen Wohlfahrts-Gesellschaft. Sie hat eine Menge vorgebildeter Agenten, die im Staat herumreisen und Fühlung nehmen mit Familien, welche Kinder aufnehmen wollen, und mit Anstalten, die welche abgeben möchten. Da sie bereit sind, auch für uns zu arbeiten, hat es gar wenig Zweck, auf kostspielige Weise unsere Babys selbst auf den Markt zu tragen. Und ich möchte doch so viele weggeben wie möglich; denn ich bin fest überzeugt, daß ein Privatheim das beste für ein Kind ist, vorausgesetzt natürlich, daß wir die Heime sehr sorgfältig auswählen. Ich verlange keine reichen Pflegeeltern, aber ich verlange gütige, liebevolle und intelligente Eltern. Diesmal hat Betsy, glaube ich, ein Juwel von einer Familie aufgefischt. Aber das Kind ist noch nicht abgeliefert, und die Papiere sind noch nicht unterzeichnet. Es ist natürlich möglich, daß sie einen plötzlichen Ruck machen und wieder ins Wasser fallen.
    Frage Jervis, ob er je etwas von J. F. Bretland aus Philadelphia gehört hat. Er scheint zur Finanz zu gehören. Das erste, was ich von ihm erfuhr, war ein Brief an den „Vorsteher des John-Grier-Heims, Lieber Herr“, — ein kurzer getippter Geschäftsbrief eines höchst geschäftlichen Rechtsanwalts, besagend, daß seine Frau beschlossen habe, ein Mädchen von hübschem Aussehen und guter Gesundheit im Alter von zwei bis drei Jahren zu adoptieren. Das Kind muß ein Waisenkind aus amerikanischem Haus sein, mit tadelloser Erbmasse und keinen Verwandten, die sich einmischen könnten. Ob ich das Gewünschte liefern und dadurch Ihren sehr ergebenen J. F. Bretland verpflichten könne?
    Als Referenz erwähnte er „Bradstreets“ 5 ). Hast Du je etwas so Komisches gehört? Man könnte meinen, daß er ein Ausgabenkonto in einem Kindergarten einrichte und eine Bestellung auf unseren Samenkatalog beifüge.
    Wir begannen unsere gewohnte Untersuchung, indem wir einen Fragebogen an einen Pfarrer nach Germantown sandten, wo die J. F. B.s residieren.
    Hat er Besitz?
    Zahlt er seine Rechnungen?
    Ist er freundlich zu Tieren?
    Besucht er die Kirche?
    Streitet er mit seiner Frau?
    und ein Dutzend andere impertinente Fragen.
    Offenbar sind wir auf einen Pfarrer mit Humor getroffen. Statt mit mühseligen Einzelheiten zu antworten, hat er quer über das Blatt geschrieben: „Ich wollte, sie würden mich adoptieren!“
    Das schien vielversprechend. Sobald die Hochzeit vorüber war, stürzte also B. Kindred diensteifrig nach Germantown. Sie entwickelt einen ganz phänomenalen Detektiv-Instinkt. Im Laufe eines gesellschaftlichen Besuchs kann sie bloß aus den Stühlen und Tischen die vollständige moralische Geschichte einer Familie in sich aufnehmen.
    Sie platzte bei ihrer Rückkehr aus Germantown vor hinreißenden Einzelheiten.
    Mr.

Weitere Kostenlose Bücher