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Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Titel: Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schloesser
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öffnen, und Herr Schmitz hat einige Spritzen bekommen. Vielleicht hat er sich ja so doll gewehrt, weil er wusste, wie die Medikamente wirken und dass er dann nichts mehr fühlt? Ich will mich nicht mehr wehren. Ich will hier nur noch raus.
    Der Professor hat gesagt, ich hätte Glück, dass man meine Krankheit so früh entdeckt hat. Je früher, desto besser seien die Heilungschancen. Das heißt, die Aussicht auf ein normales Leben. Das möchte ich. Ein ganz normales Leben. Ungefährlich, aber schön. Dafür werde ich alles tun. Die Medikamente nehmen. Auch wenn ich immer müder werde. Ich könnte den ganzen Tag schlafen. Ich mache sogar schon Mittagsschlaf. Wie meine Oma.
    Es ist mir alles egal. Ich sitze im Park und sehe zu, wie die gefärbten Blätter stoßweise von den Ästen geweht werden. So wie meine Erinnerungen. Die wehen auch weg. Das ist komisch, zumal ich mir doch in den letzten Monaten – während der manischen Phase, der Zeit des Irreseins – immer so klar vorgekommen bin. Kristallklar. So musste auch das Wasser zum Trinken sein. Eiskalt und kristallklar! Hier bekomme ich lauwarmes Mineralwasser. Medium. Das schmeckt, wie zehn Tage offen stehengelassen. Aber selbst das kann mich nicht mehr aufregen. Ich höre auch keine Musik mehr. Ist mir alles zu viel. Eigentlich sitze ich nur herum und rauche. Das scheint mir das einzig Sinnvolle zu sein im Moment.
    Hoffentlich hast Du es schöner bei Omi.
    Doch. Bestimmt. Da bin ich mir sicher.

Platz für ein Bild der
    totalen Ereignislosigkeit
    , mir fällt nichts ein. Es tut mir leid, aber es ist wahr. Vielleicht kannst Du mir einen Brief schreiben. Oder ein Bild malen.
    Heute ist es besonders schwer. Ich habe lange mit dem Chef der psychiatrischen Abteilung gesprochen. Den Termin hatte ich mir schon letzte Woche geben lassen. Da lagen die Dinge noch ganz anders. Ich hatte mich beschweren wollen. Über das Essen und die unfreundlichen Pfleger. Über die mangelnden Therapieangebote. Jetzt schaffe ich es gerade noch, ihn zu fragen, ob ich in diesem Zustand inszenieren könnte.
    Er hat gar nicht viel gesagt. Das machen die Ärzte und Therapeuten hier alle nicht. Stattdessen lassen sie den Patienten sprechen. Meinen langen Weg hierher haben wir noch mal durchgekaut. Zum hundertsten Mal. Es ist für mich schon normal, dass man den ganzen Tag über sich spricht. Obwohl. Nicht jeden Tag. Wenn man nicht mit den Ärzten spricht, dann mit den anderen Patienten. Nur, dass wir untereinander über die Medikamente, das Essen, die Ärzte und so weiter reden. Das machen alle Patienten in allen Krankenhäusern auf der Welt. Oder wir reden über die Patienten auf den anderen Stationen. Einige sind echt unheimlich. Wir sind ja im vierten Stock. Tolle Aussicht. Aber unter uns im ersten und zweiten Stock, da sitzen die Patienten, die ein Problem mit Drogen oder Alkohol haben. Das ist richtig hart, denn die haben schwere Entzugserscheinungen. Das sind Beschwerden, die auftreten, wenn man längere Zeit jeden Tag Alkohol getrunken oder Drogen genommen hat und dann plötzlich alles absetzt. Glücklicherweise habe ich keine, obwohl ich so viel getrunken habe. Drogen machen nicht nur süchtig, sie schaden auch der Gesundheit. Das Verlockende daran ist, dass sie bei dem, der sie nimmt, ein sehr starkes Gefühl freisetzen. Meist eines, von dem der Betreffende nach kurzer Zeit schon glaubt, es nicht mehr allein herstellen zu können. Zum Beispiel das Gefühl, sich zu entspannen. Oder das Gefühl, von sich selbst überzeugt zu sein. Ohne Scham. Also ohne den natürlichen Schutz vor Überheblichkeit und Grenzüberschreitung. Wenn man dann auf einmal aufhört, die Drogen zu nehmen, drehen Körper und Seele erst einmal durch. Je heftiger die Wirkung der Droge vorher, desto heftiger die Qualen, wenn man damit aufhört. Der Körper wehrt sich, weil er nicht versteht, warum er plötzlich ohne auskommen soll. Das tut richtig weh. Um diesen Schmerz zu betäuben oder sich davon abzulenken, hören die unter uns laute aggressive Musik. Deshalb streiten sie sich sicherlich auch öfter. Und wenn, dann aber so richtig. Dagegen sind wir hier oben wirklich sehr harmlos.
    Wolfgang hat sich neulich mal aufgeregt, weil jemand heimlich seine Asia-Nudeln aufgegessen hat. Kleine Beutel mit China-Nudeln und verschiedenen Gewürzen, Tüte auf, heißes Wasser drüber, und fertig ist die Nudelsuppe. Schmeckt gar nicht schlecht. Weil es schon so früh Abendbrot gibt, hat sich Wolfgang einen Vorrat für den kleinen

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