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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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seiner Hemdtasche und steckte sich eine davon in den Mund. Dann nahm er mir die Pistole ab und zündete sich damit seine Zigarette an. Als er den Abzug drückte, machte es klick, und eine kleine gelbe Flamme kam vorn aus dem Lauf. Ich sah ihn an.
    - Wenn du abgedrückt hättest, hättest du dir böse den Mund verbrannt, sagte er.
    - Oh.
    - Ja. Also willkommen zurück im Land der Lebenden. Aber künftig lass diesen Unsinn besser. Ich habe mich schon um eine ganze Stadt zu kümmern, da hat mir so was gerade noch gefehlt.
    Terence Butcher beugte sich zu mir herunter und reichte mir seine Hand. Ich griff danach, und er zog mich hoch, als wäre ich nicht schwerer als ein Styroporbecher. Dabei kam ich mit meinem Gesicht ganz nah an seine Brust und roch diese Mischung aus Zigarettenrauch und Weichspüler. Ich hielt mich länger an seiner Hand fest, als nötig gewesen wäre. Ich zitterte, und das muss er wohl gespürt haben.
    - Gott, du bist ja total durch den Wind, sagte er.
    - Ja.
    - Ich auch. Jedenfalls seit dem 1. Mai.
    - Wirklich?
    - Ja, sagte er. Normalerweise wäre ich nämlich auch bei dem Spiel gewesen. Arsenal gegen Chelsea habe ich sonst nie verpaßt. Seit Ewigkeiten nicht.
    - Ja, das denke ich mir.
    Wieder sah er mich ganz ruhig an.
    - Jetzt setz dich erst mal.
    Er führte mich quer durch den Raum zu seinem Stuhl, dem einzigen, den es in seinem Büro gab.
    - Bitte entschuldige das Durcheinander, sagte er. Ich bin gestern erst hier eingezogen und habe noch nicht ausgepackt.
    - Sieht so aus, als wärst du befördert worden.
    - Stimmt, sagte er.
    - Trotzdem, ein schönes Zimmer.
    - Danke.
    Er sah mich nicht an, sondern blickte über meine Schulter hinweg nach draußen. Ich saß hinter seinem Schreibtisch und wartete. Sein Bürostuhl war viel zu hoch für mich, meine weißen Pumas reichten nicht mal an den Boden. Ich schaute auf die 3 Telefone und das Foto von seiner Frau und den Kindern. Seine Frau sah ganz nett aus, auch von ihrem Lächeln her. Auf dem Foto saß sie mit den Kindern auf dem Rasen. Sie saß ganz entspannt da, so, als wäre ein Rasen in ihrem Leben überhaupt nichts Besonderes. Auf dem Foto schien die Sonne, und die Frau trug ein Sommerkleid mit einem blauen Blumendruck. Das Kleid war nicht besonders, aber vielleicht waren die Beine darunter ja besser, das wusste man nicht. Ihre Fußgelenke waren okay, aber sie trug nur einfache Dunlop Green Flashs – zugemacht mit einem doppelten Knoten. Ich konzentrierte mich auf solche kleinen Dinge, denn die Kinder wollte ich mir nicht ansehen.
    Ich schaute auf ihr Gesicht und fragte mich, wie es wohl wäre, den Hörer von einem dieser 3 Telefone abzunehmen und sie anzurufen. Ich stellte mir vor, wie sie sagte: Hallo, Darling. Und im Hintergrund die 2 Kinder, die sich um ein paar Lego-Teile stritten. Also alles ganz normal. Ich stellte mir vor, wie es war, ihr Gesicht auf dem Foto anzusehen und dabei zu sagen: Entschuldige, aber es kann heute wieder später werden, hier ist was dazwischengekommen…
    Terence Butcher sah mich von oben an und lächelte.
    - Mein Frau, sagte er.
    - Liebst du sie?
    - Aber natürlich, sagte er. Was für eine Frage!
    - Die Art Frage, die man einem Typen stellt, der im Russell-Crowe-Kostüm fremden Frauen einen Gin Tonic ausgibt.
    Terence Butcher hustete.
    - Na gut, aber das solltest du nicht zu persönlich nehmen.
    - So persönlich würde ich es nicht nehmen, wenn du jemand anderen angesprochen hättest.
    - Hör mal, sagte er. Ich hab mich doch schon dafür entschuldigt, oder? Das ist der Job. Der Job dreht dich durch die Mühle, und ab und zu willst du dir nur ein paar Drinks gönnen und einfach nicht mehr daran denken.
    - Erzähl mir von deinem Job.
    - Warum?
    - Weil mein Mann mir nie was davon erzählt hat.
    - Das ist auch besser so, sagte Terence Butcher. Ich glaube kaum, dass du das wirklich alles wissen willst.
    - Das möchte ich gern selbst beurteilen.
    Terence Butcher seufzte, was sich eher so anhörte wie eine stumme Explosion als ein langsames Leck.
    - Tja, im Grunde ist es ganz einfach, sagte er. Terrorabwehr ist der heftigste Job, den es gibt. Du siehst die Leute auf der Straße ihrer ganz normalen Beschäftigung nachgehen. Siehst sie in Busse steigen, die Kinder zur Schule bringen. In der Mittagspause trinken sie seelenruhig ihr Bier. Und die ganze Zeit laufen diese Informationen ein. Von abgehörten Telefonen, ab gefangenen E-Mails. Hinweisen aus den üblichen Kreisen. Aber es ist nicht so wie im Kino. Du weißt nie, was

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