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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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diese Bastarde als Nächstes vorhaben. Was du mitkriegst, ist eine gesteigerte Aktivität, aber unklar, diffus. Du weißt, dass irgendetwas passiert, aber du weißt weder, was passiert, noch, wann es passiert. Und dann denkst du: Vielleicht passiert es ja heute. Und dann wirst du nervös. Schon wenn du irgendwo eine Sirene hörst, springst du hoch. Eine blöde Fehlzündung bei einem Auto, und du würdest am liebsten in Deckung gehen. Du stehst unter permanenter Hochspannung. So sehr, dass du schon nicht mehr schlafen kannst. Du bist nur noch fickrig.
    Terence Butcher sagte nichts weiter. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
    - Ich weiß, was du meinst.
    - Wirklich?, sagte er.
    - Ja. Ich bin auch immer fickrig. Terence Butcher schluckte.
    - Ich sollte dir das alles gar nicht sagen. Du hast gerade deinen Mann und deinen Sohn verloren. Ich nehme an, du hast auch seit längerer Zeit nicht mehr geschlafen, und ich jammere hier über mein schweres Los.
    In diesem Moment sah ich es zum ersten Mal. Ich sah, wie Terence Butcher aussehen würde, wenn ich meine Arme um seinen Hals legte. Meine Arme, so dünn und weiß auf seiner Haut.
    - Das ist doch egal. Sprich nur, wenn es dir gut tut. Red’s dir von der Seele.
    - Du bist wirklich eine bemerkenswerte Frau, sagte Terence Butcher. Aber sag, kann ich dir irgendwas anbieten? Einen Kaffee vielleicht? Tee?
    Ich schaute hoch und erkannte, wie er aussehen würde, wenn seine Finger unter den Gummizug meiner weißen Adidas-Hose gleiten würden, wenn diese großen Hände meinen Hintern packten und mich auf ihn hinunterzogen, bis wir nur noch am Stöhnen waren und es diesen hellen Blitz gab und die Fenster nach innen explodierten und Glassplitter überall herumflogen und sein treuloses Fleisch zerfetzten, bis es von meinem nicht mehr zu unterscheiden war und sie uns zusammen beerdigen mussten.
    - Tee, bitte.
    Er ging zum Schreibtisch und nahm einen Hörer ab. Ich habe vergessen, welchen.
    - 2 Tee, sagte er. Und Kekse.
    Während er noch den Hörer am Ohr hatte, konnte ich durch sein Hemd seine Rückenmuskeln sehen. Es war ein schönes Gefühl mit diesem großen Mann in meiner Nähe, der diese kleinen Dinge für mich tat. Ein Schauer durchlief mich.
    Ich fragte mich, ob Jasper Black mir auch Tee und Kekse anbieten würde, wenn ich unangemeldet in seinem Büro aufkreuzte. Seltsam, Osama, aufweiche Gedanken man als Witwe so kommt.
    Ich wühlte in meiner Asda-Tüte, holte eins meiner Valium-Fläschchen hervor und hielt es ihm auf der flachen Hand hin. Meine Hand zitterte so sehr, dass die Pillen im Glas rasselten. Ich wurde rot.
    - Hier. Das sind Tranquilizer. Ich habe zwei Fläschchen da von. Wenn du nicht schlafen kannst, kannst du eins haben.
    Er streckte seine Hand aus, legte sie auf das Fläschchen in meiner Hand, sodass die Pillen aufhörten zu rasseln. Nur nehmen wollte er es erst nicht. Er sah mir in die Augen.
    - Meine Frau hält nichts davon, sagte er. Sie meinte, sie stören das natürliche Gleichgewicht des Körpers.
    - So? Das tun Bomben auch.
    Einen Moment lang hielt Terence Butcher noch still, dann schloss sich seine Hand um das Fläschchen. Ich spürte seine Fingerspitzen auf der Handfläche, als er die Pillen nahm.
    - Danke, sagte er.
    - Dafür nicht.
    Der Tee kam, und er war genau so, wie man sich Tee bei der Polizei vorstellt, lauwarm und milchig. Terence Butcher schob das Fläschchen in die Tasche.
    - Hör zu, sagte er. Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Den Tee würde ich nicht trinken. Er ist widerlich. Ich schütte ihn immer in den Blumentopf.
    Er grinste und ich auch. Das fühlte sich schön an. Mein erstes Lächeln, seit sie Mena rausgeschmissen hatten. Dann klingelte eins der Telefone auf dem Schreibtisch. Er sah es kurz an, dann nahm er ab.
    - Nein, Inspector, sagte er. Die Rede war von Sektor Sierra 6. Ich würde es Ihnen gern buchstabieren, wenn Sierra nicht schon zum Buchstabieralphabet gehörte.
    Er knallte den Hörer auf.
    - Der arme Kerl hat vermutlich noch weniger geschlafen als ich, sagte er. Warum machen wir nicht einen Club auf: Selbsthilfegruppe Schlafstörung gegen den Islam.
    Er lächelte erneut, aber ich nicht. Ich dachte an Mena. Wie sie im Krankenhaus immer diese blauen Pillen eingeworfen hatte. Ihr barmherziger Gott, der dafür gesorgt hatte, dass sie auch für mich ein Fläschchen mit Pillen mitgehen ließ, damit ich sie zerbeißen und einen weiteren Tag alles vergessen konnte. Allah akbar, sagten wir immer. Ich erinnerte mich wieder an den

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