Lieber Osama
bitteren Geschmack dieser Liebe.
- Glaubst du wirklich, der Islam hat meinen Mann und meinen Sohn auf dem Gewissen?
Terence Butcher hörte auf zu lächeln.
- Naja, der Osterhase war es jedenfalls nicht.
- Ich habe eine muslimische Frau gekannt. Sie war Schwester in dem Krankenhaus. Sie war der netteste Mensch, der mir je begegnet ist. Ihr Gott war kein Gott der Bomben.
- Sicher nicht, sagte Terence Butcher. Mit ihrem Gott habe ich ja auch kein Problem. Es sind die Teufel, die ihnen das Semtex verkaufen.
- Sie sind nicht alle so.
- Klar, sagte Terence Butcher. Genauso wie nicht jedes Kind, das im Park eine paar Bälle kickt, später für Arsenal spielt. Das heißt aber nicht, dass es das nicht trotzdem gern tun würde.
- Ach, diese Sprüche machen alles nur noch schlimmer. Man sollte versuchen, sie zu verstehen.
- Ich werde aber nicht dafür bezahlt, diese Anschläge zu verstehen, sondern dafür, sie zu verhindern.
- Den 1. Mai hast du jedenfalls nicht verhindert. Er senkte den Blick.
- Nein, sagte er.
- Vielleicht war ja der ganze Ansatz falsch. Ich weiß nicht, wie man Attentäter stoppen soll, wenn man sie nicht versteht.
Terence Butcher kam auf meine Seite des Schreibtischs. Er stellte sich hinter den Stuhl und legte mir die Hand auf die Schulter.
- Paß auf, sagte er. Die Araber sind anders als wir. Bilde dir nicht ein, du könntest sie jemals verstehen. Im Krieg zwischen Iran und Irak haben sie Kinder durch Minenfelder geschickt. Um den Weg frei zu machen für die Erwachsenen, die sich dann ungehindert mit Giftgas umbringen konnten. Sie gaben den Kindern kleine Schlüssel mit auf den Weg, die Schlüssel zum Paradies angeblich. Die haben sich die Kinder um den Hals gehängt. Und arabische Erwachsene erzählten arabischen Kindern, es gebe eigentlich nicht genug Landminen, um alle Kinder ins Paradies zu befördern. Und so rannten die Kinder los. Kannst du dir vorstellen, was so eine Tretmine aus einem Kind macht? Wenn du das gesehen hättest, würdest du nicht mehr sagen, es brächte die Kinder näher zu Gott. Aber so denken diese Kameltreiber. Sie kommen nur dann in den Himmel, wenn sie Leute wie dich dafür in die Hölle schicken.
- Das stimmt nicht.
- Stimmt nicht? Und was machst du gerade durch? Ist das etwa keine Hölle?
Ich schaute zu ihm hoch. Ihm standen die Tränen in den Augen, weil er sah, was ich sah: meinen Jungen, der mit wehenden roten Haaren vornweg lief, um als Erster im Paradies anzukommen. Er hätte sich jedenfalls sofort gemeldet. Er war nicht dumm, bloß glauben Kinder ja alles, was man ihnen erzählt. Aber wem sage ich das, Osama?
- Ich glaube, das solltest du nie vergessen, sagte Terence Butcher. Es herrscht Krieg. Krieg gegen den Terror. Wir gegen sie. Wir bekämpfen Feuer mit Feuer.
- Aber das funktioniert doch nicht.
Doch, das funktioniert, sagte Terence Butcher. Zugegeben, es ist ein schmutziger Krieg, große Ehre kann hier niemand einlegen. Aber wir werden diesen Krieg gewinnen, weil wir ihn gewinnen müssen. Und wir gewinnen ihn, indem wir alle unsere Grundsätze über Bord werfen. Indem wir Leute internieren, die wir als Sicherheitsrisiko betrachten. Indem wir private Telefongespräche abhören. Vor allem jedoch ist es ein langweiliger Krieg. Ein Alltagskrieg. Aber wir siegen, indem wir unseren Landsleuten Zivilcourage beibringen. Sie sollen in der Lage sein, in der U-Bahn aufzustehen und zu fragen: Diese Tasche hier, wem gehört die? Wir siegen, indem wir dem kleinsten Hinweis nachgehen. Wir siegen, indem wir zu Hause anrufen und sagen: Tut mir Leid, Schatz, aber es wird heute wieder später. Gib den Kindern einen Kuss von mir.
Er blickte auf das Foto seiner Frau und seiner Kinder. Seine Hand lag noch immer auf meiner Schulter. Ich hielt mich an seinem Schreibtisch fest.
- Gut. Aber dann will ich auch kämpfen.
- Was?, sagte er.
- Du hast mich sehr gut verstanden. Wenn wir wirklich im Krieg sind, will ich kämpfen. Gib mir eine Aufgabe, und ich er ledige sie, egal, wie gefährlich sie ist. Ich mach’s. Ich mache, was immer du von mir verlangst. Aber gib mir eine Aufgabe, wo ich helfen kann.
- Nein, sagte er. Damit fangen wir gar nicht erst an. Glaub mir, das ist nichts für dich.
- Aber ich kann doch sonst nichts tun. Mein Mann und mein Junge sind nicht mehr da. Alles, was ich will, ist einen weiteren 1. Mai verhindern. Keine Mutter soll noch einmal das durchmachen müssen, was ich durchmache.
- Bewundernswerte Einstellung, sagte er. Du bist schon in
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