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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Slaughter, Carver oder Cleaver. Passend zum Feindbild, Osama, findest du nicht?
    Von innen sah Scotland Yard genau so aus, wie man es sich immer vorstellt. Hektik, und die Wände tapeziert mit Dienstanordnungen. Ein Streifenbeamter führte mich durch endlose grau gestrichene Gänge. In den unteren Stockwerken roch der Laden nach Schweiß und Reinigungsmitteln, in den oberen nach Kaffee und Reinigungsmitteln. Terence Butchers Büro war ziemlich weit oben, wie weit, sage ich dir nicht. Der blassgrüne Lack auf seiner Tür war angestoßen und schmuddelig, aber das Metallschild war neu und glänzte: CHIEF SUPERINTENDENT TERENCE BUTCHER. Ich habe wenig Ahnung von Polizeidienstgraden, aber der Streifenbeamte traute sich kaum zu klopfen. HEREIN, sagte eine Stimme von innen, und das machten wir dann.
    Das Büro roch nach frischer Farbe. Die Regale waren leer, überall auf dem Boden lagen Umzugkartons. Terence Butcher saß mit dem Rücken zum Fenster an einem großen Metallschreibtisch. Es gab 3 Telefone auf dem Schreibtisch und ein gerahmtes Foto von Frau und Kindern. Ich nehme an, es waren seine. Ich meine, anders dürfte es auch gar nicht sein, vor allem bei einem Polizisten. Terence Butcher trug ein weißes Hemd und schwarze Schulterstücke mit silbernen Kronen drauf. Keine Krawatte. Er sprach in eines der Telefone.
    - Nein, sagte er. Es ist doch ganz einfach. Also alles nochmal von vorn: Ich sagte, Sektor 6, dort warten Sie auf weitere Anweisungen. Ich habe nicht gesagt, Sie sollen die Japse festnehmen. Die Japse sind nicht der Feind, Inspector. Japse sind eine wichtige Zielgruppe für die Tourismusindustrie dieser Stadt. Bringen Sie Ihre Leute zur Raison, Inspector.
    Er knallte den Hörer auf, ließ aber seine Hand drauf und senkte den Kopf, bis er fast den Schreibtisch berührte. Dann holte er tief Luft und richtete sich gleichzeitig auf, was aussah, als würde sein Körper durch das Telefon aufgepumpt. Er war ein baumlanger Kerl, was aber erst auffiel, wenn er stand, und er sah mich aus seinen großen grauen Augen an.
    - Sir, sagte der Streifenbeamte. Das ist die Frau.
    - Das sehe ich, sagte Terence Butcher. Sehr schön, vielen Dank. Und jetzt raus mit Ihnen.
    - Danke sehr, Sir, sagte der Streifenbeamte.
    Ich ging bis in die Mitte seines Büros vor und hielt mich mit beiden Händen an meiner Krücke fest, damit sie nicht so zitterten. Terence Butcher stand auf. Hinter ihm sah ich die schwarzen Hubschrauber im grauen Himmel über Westminster kreisen. Hier waren sie jedoch unhörbar, alle Fenster waren aus Panzerglas. Terence Butcher trat halb hinter seinem Schreibtisch hervor, blieb dann aber stehen, als hätte er sich am liebsten dahinter versteckt. Man sah ihm an, dass er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. Er war wohl nur an Leute gewöhnt, die entweder Befehle gaben oder entgegennahmen. Schließlich setzte er sich auf die Ecke seines Schreibtischs und rang die Hände. Also, ich tue so was, aber bei diesem großen Mann sah das reichlich seltsam aus.
    - Darf ich Ihnen mein Bedauern ausdrücken über den von Ihnen erlittenen Verlust… sagte er.
    - Da gibt es für Sie nichts zu bedauern, es war ja nicht Ihre Schuld. Das Leben ist so schon hart genug.
    Terence Butcher zuckte die Achseln und blickte auf seine Telefone, als hoffte er auf ein Klingeln.
    - Ich bin gekommen, weil Sie mir vielleicht mehr über meinen Mann und meinen Jungen sagen können.
    - Ich würde Ihnen wirklich gern helfen, sagte Terence Butcher. Aber ich habe nicht unmittelbar mit Ihrem Mann zusammengearbeitet. Wenn Sie jemanden sprechen wollen, der ihn besser kannte, könnte ich ein Gespräch mit seinem direkten Vorgesetzten oder einem seiner Kollegen arrangieren.
    - Nein, Sie sind schon der Richtige. Ich meine, ich weiß ja, wie er war, als er noch lebte. Ich bin hier, um rauszufinden, wie er gestorben ist. Ich glaube, ich könnte ruhiger schlafen, wenn ich wüsste, dass er sofort tot war und nicht verbrannt ist oder zu Tode getrampelt wurde.
    - Oje, sagte er. Wenn Sie meinen, dass Ihnen das hilft, soll ten Sie lieber mit dem Diensthabenden der Sonderkommission 1. Mai sprechen. Auch das kann ich für Sie organisieren. Der Kollege klärt Sie dann über den Hergang auf.
    - Ja, aber ich wollte doch Sie sprechen. So durchgedreht, wie ich im Augenblick bin, will ich darüber nicht mit einem Fremden sprechen.
    Terence Butchers Augen verengten sich, und er sah mich an wie die kleinste Buchstabenreihe beim Optiker.
    - Kennen wir uns?, fragte er.
    -

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