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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Tabletten, die mir der Doktor verschrieben hatte, ein paar Wodka genehmigte. Es war alles sehr nett, aber nach einer Weile wurde mein Junge immer stiller, ich schaute von meinem Glas hoch, sah, dass er ganz blass geworden war, und wollte schon sagen: So, jetzt wird’s aber Zeit für die Heia, junger Mann, als jemand laut an der Tür klopfte. Ich schaute schnell nach, ob der Riegel vorlag, und als ich mich danach nochmal zur Küche umdrehte, war mein Junge fort, und ich dachte: Dann kann ich auch aufmachen.
    Ich nahm eine der Kerzen mit in den Flur und legte nicht mal die Kette vor, ehe ich aufmachte, mir war mittlerweile nämlich so ziemlich alles egal. Vor der Tür stand Jasper Black, er war ziemlich aufgeregt und kam sofort rein.
    - Kannst du rüberkommen?, sagte er. Petra ist schwanger. Ich sah ihn an, als wäre er nicht ganz dicht.
    - Schwanger, sagst du?
    - Ja, sagte er. Kannst du bitte sofort kommen?
    - Tja, Jasper, ich weiß ja nicht, ob dir die Mami das mit den Blumen und den Bienchen damals richtig erklärt hat, aber wenn eine Frau schwanger ist, dann eilt es erst mal gar nicht, denn man hat 9 Monate Zeit, 9 Monate, in denen das kleine Baby in Mamis Bauch wächst.
    - Petra ist völlig hysterisch, sagte Jasper. Vielleicht schaffst du es ja, sie zu beruhigen.
    - Würde mich nicht wundern, wenn Petra schon hysterisch auf die Welt gekommen wäre. Und tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber das wird im Lauf der Schwangerschaft noch viel, viel schlimmer werden, also gewöhn dich lieber gleich dran. Ich meine, warum beruhigst du sie nicht?
    - Sie hat nach dir gefragt.
    -Ach wirklich? Jetzt auf einmal soll ich für sie da sein? Bisschen spät für so was, findest du nicht? Ich meine, ich habe wochenlang keinen Mucks von euch gehört, und ehrlich gesagt, ihr habt mir auch nicht gefehlt.
    Jasper zuckte.
    - Herrgott, sagte er. So verbittert kenne ich dich gar nicht.
    - Was hast du denn erwartet? Ich stehe euch nicht endlos zur Verfügung, Jasper Black. Ich bin keine CD, die man eine Weile weglegen und später wieder auflegen kann, und sie klingt noch genauso wie vorher.
    Ich drehte mich um und wollte in die Küche. Wo ich aber beim ersten Versuch nicht ankam, weil ich voll gegen den Türrahmen lief und es ein zweites Mal probieren musste wie irgendein Objekt aus Robot Wars im Fernsehen.
    - Hast du getrunken?, sagte Jasper.
    - Iwo. Sie haben nur die Tür versetzt. Und du, immer noch auf Koks?
    - Nein, sagte Jasper Black. Hab nichts mehr angerührt, seit sich herausgestellt hat, dass Petra schwanger ist. 3 Tage jetzt.
    Ich setzte mich an den Küchentisch, und Jasper kam und setzte sich mir gegenüber. Es war im Kerzenschein nicht genau zu erkennen, aber er wirkte dünner, und seine Hände zitterten ein bisschen.
    - Was zu trinken?
    - Ja, danke.
    Ich goss ihm einen großen Wodka ein, alles, was noch in der Flasche war. Er kippte es runter wie nichts. Für eine halbe Minute ging sogar das Licht wieder an, dann war es abermals dunkel, und es gab nur noch die Kerzen auf dem Küchentisch und ab und zu die Scheinwerfer der Hubschrauber durchs Fenster. Inzwischen hörte ich das Geknatter schon gar nicht mehr, so sehr hatte ich mich dran gewöhnt. Wir sahen uns an.
    - Und du bist der Vater, nehme ich an?
    - Ja, sagte Jasper. Ich glaube schon.
    - Schön für dich.
    - Danke.
    Dann wieder Schweigen.
    - Und morgens ist ihr also übel?
    - Ja, sagte Jasper. Morgens ist ihr schlecht, und sie ist schlecht drauf. Und abends ist sie müde und schlecht drauf. Dazwischen ist sie auch schlecht drauf, aber da ist sie Gott sei Dank bei der Arbeit.
    - Sag ihr, sie soll es mal mit einem Teelöffel Apfelessig versuchen, nach den Mahlzeiten.
    - Okay, sagte Jasper.
    - Und sag ihr, ein kleiner Spaziergang vor dem Schlafengehen hilft auch.
    - Mach ich.
    - Und sag ihr, sie soll… sie soll… Ach, Scheiße, das kann ich ihr auch selber sagen.
    Jasper grinste, und ich stand vom Küchentisch auf, ging ins Schlafzimmer, wo ich meinen Bademantel aus- und meine graue Jogginghose anzog, dazu das graue Nike-T-Shirt. Ich meine, mag ja sein, dass Helmut Lang nach vorn schaut, wie Petra sagt, aber sicher ist jedenfalls, dass er die Barnet Grove dabei nicht im Blick hat.
    Als wir die Wohnung verließen, rief ich noch kurz meinem Jungen zu, er soll hübsch brav sein, und zog dann die Tür hinter mir zu. Jasper sah mich komisch an.
    Auch in Jaspers und Petras Wohnung war der Strom weg. Da ist die Elektrizität gewissermaßen gerecht. Es kümmert sie nicht,

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