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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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und rumgevögelt? Ich dachte, ihr könntet euch gegenseitig helfen, aber schaut euch doch an. Ihr zieht euch gegenseitig runter, mich eingeschlossen.
    Sie stand vom Tisch auf, ging zum Fenster und starrte auf die Straße. Ich ging zu ihr und berührte ihren Handrücken.
    - Entschuldige, Petra. Ich wollte dich nicht anmachen.
    Sie drehte sich um und wollte schon was sagen, aber ich hielt ihre Hand fest. Da machte sie den Mund wieder zu.
    - Tut mir wirklich leid, Petra.
    Petra blickte auf meine Hand, mit der ich ihre hielt, und streichelte sie mit der anderen. Ihre Ringe blitzten rotgelb im Feuerschein von der Straße. Als sie schließlich nicht mehr auf unsere Hände, sondern in meine Augen sah, entspannte sich ihre Miene.
    -Aber, Moment mal, du lieber Himmel, sagte sie. Was ist, wenn du Recht hast?
    Jasper lachte und lehnte sich zurück.
    - Tja, Helmut Lang kannst du damit nicht kommen, sagte er. Der schaut gerade nach vorn.
    - Halt die Klappe, Jasper, sagte Petra. Was ist, wenn sie wirklich Recht hat?
    Jasper schüttelte den Kopf.
    - Keine Chance, das sage ich dir gleich, sagte er. Ich weiß, was du jetzt denkst.
    Petra kam zurück und stützte sich mit beiden Armen auf den Tisch. Im Kerzenlicht waren dort, wo ihre Augen hätten sein sollen, zwei schwarze Schatten.
    - Hör zu, Jasper, sagte sie. Du solltest die Story schreiben.
    - Aber du glaubst doch selber nicht daran, sagte Jasper.
    - Hmm, ich denke noch darüber nach, sagte Petra. Aber wenn die Geschichte stimmt, dann ist das der größte Scoop seit der Kelly-Affäre. Damit kannst du dich im Handumdrehen wieder ganz nach vorn schreiben.
    -Aber, Schätzchen, sagte Jasper. Du bist Modejournalistin. Erzähl mir nicht, was eine gute Story ist und was nicht. Kümmere dich um Rocklängen und Pussy-Epilation, das kannst du besser.
    -Leck mich, sagte Petra. Nenn mir einen vernünftigen Grund, warum du die Geschichte nicht machen solltest.
    - Nicht nur einen, ich sage dir 3.1. der Schaden, den die nationale Sicherheit dadurch nimmt. 2. die Tatsache, dass ich mit meiner wichtigsten Informantin geschlafen habe. Ach ja, und 3. dieser ärgerliche kleine Grundsatz in Sachen journalistische Sorgfalt, der nämlich besagt, dass man keine wilden Anschuldigungen in die Welt setzt, ehe man nicht den kleinsten Beweis dafür liefern kann. Abgesehen davon, da gebe ich dir Recht, wäre so eine Story ein erstklassiger Karriereschritt.
    - Leck mich, sagte Petra.
    - Heute nicht mehr, Schätzchen, sagte Jasper. Ich pudere mir gerade die Nase.
    Er holte ein kleines Briefchen aus der Hosentasche und faltete es auf dem Tisch auseinander.
    - Mann, guck dich bloß an, sagte Petra. Das ist wirklich armselig. Darf ich dich daran erinnern, Jasper: Wir schreiben für eine überregionale Zeitung. Wir zählen zu den wenigen Leuten in diesem Land, die wirklich etwas ändern können. Aber wenn Leute wie uns die Wahrheit nicht mehr interessiert, welche Hoffnung gibt es dann für unsere Zivilisation?
    Jasper lachte und schob sich einen zusammengerollten Zehner ins Nasenloch. Er zeigte mit beiden Daumen auf sich.
    - Petra, Schätzchen, sehe ich etwa aus wie der Hüter der abendländischen Zivilisation?
    Er grinste Petra an, während ein weiterer orangefarbener Blitz sein Gesicht erhellte. Draußen auf der Straße fackelten sie das nächste Auto ab. Mich hatten sie schlicht vergessen, ich hätte genauso gut nicht da sein können. Ich saß wortlos am Tisch, dachte mir meinen Teil und wünschte, mein Junge wäre jetzt da. Ich hätte ihn in den Arm genommen, hätte diesen wunderbaren Duft seines Haares riechen können und ihn fragen hören: MAMI, WARUM WEINST DU? Und ich hätte gesagt: Mami weint doch gar nicht, mit Mami ist alles in Ordnung, sie hat nur was ins Auge bekommen. Ich schaute auf Petra, die immer noch stinksauer war, weil Jasper nicht tat, was sie wollte. Ich schaute Jasper an, der sich weiter das weiße Zeug durch die Nase zog, während draußen die Autos brannten, und ich glaube, da habe ich zum ersten Mal begriffen, was du uns sagen wolltest, Osama.
     
     
    Der Herbst schleppte sich endlos hin, Osama, grauer Himmel und Regen jeden Tag. Als die Streiterei um die Superstory kein Ende nahm, hielt ich es nicht mehr aus und zog endgültig in die Siedlung zurück. Und zur Arbeit ging ich nur noch, weil ich die Kohle brauchte. Und manchmal, wenn Terence Butcher nicht hinsah, spuckte ich ihm in den Tee.
    In der Stadt bauten sie die ersten Straßensperren wieder ab, und wenn man nicht genau drauf

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