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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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ob einer geschwollen daherreden kann oder nicht. Petra saß vor dem Sofa auf dem Boden und war in dem Zustand, den du uns allen an den Hals wünschst, Osama: dunkle Augenringe, hohle Wangen, völlig fertig mit der Welt.
    Ich kniete mich neben sie und legte ihr die Hand auf den Bauch, wie man das eben so macht, obwohl es noch gar nichts zu fühlen gab. Ich schloss die Augen und gab mir alle Mühe, mich für sie zu freuen. Ich meine, das wird ja einfach von einem erwartet. Man soll ja so tun, als kämen all diese Babys automatisch auf eine Welt, auf der ihnen keine Gefahr droht. Und komisch, der Trick funktioniert. Am Ende freut man sich tatsächlich. Die Sorgen sind vergessen, und man fängt an, Babysöckchen zu stricken, oder?
    Und wie gesagt, auch ich gab mir alle Mühe, aber es klappte nicht mehr. Hinter geschlossenen Augen sah ich das ungeborene Baby in Petras Bauch. Es kam mir so vor, als hättest du seinen Namen schon auf der Liste, bevor es überhaupt geboren war, Osama. Dieses Kind war dem Untergang geweiht und schwamm da ganz allein im Dunkel. Es wusste noch gar nichts von London, aber man merkte, es war jetzt schon nervös. Es hörte den Herzschlag seiner Mutter, und es zuckte jedes Mal zusammen, wie wenn in der Ferne eine Nagelbombe explodiert. Seine Fäustchen ballten sich, und durch seine Nabelschnur lief Benzin. Es war ein Feuerkind, und wenn es träumte, dann von Funken. Ich sah sein Gesicht, es war das meines toten Jungen. Es sprach auch mit der Stimme meines toten Jungen. Mami, sagte es, Mami, sie wussten es. MAMI, SIE WUSSTEN ES. Ich stand schnell auf, ging ein paar Schritte bis ans Ende des Sofas und schaute zu Boden, bis ich wieder klar denken konnte.
    - Wie fühlst du dich?
    - Mies, sagte Petra. Ich bin die ganze Zeit wie erschlagen.
    - Na ja, gewöhn dich lieber dran. In drei Jahren denkst du zurück und sagst dir, das war die gute alte Zeit.
    - Danke, sagte Petra. Sehr ermutigend.
    - Entschuldige. Hör nicht hin. Denn eigentlich ist es das alles wert.
    Petra saß nur da und starrte mich an, bis ich mir ganz fehl am Platze vorkam.
    - Kann ich was für dich tun?
    - Ja, sagte Petra. Du kannst uns einen eindeutigen Beweis da für besorgen, dass die Behörden von dem Anschlag wussten.
    Ich sah sie an.
    - Nein, was ich meinte, war, ich habe noch ein Buch über Schwangerschaft, wenn du willst, und jede Menge Umstandskleider, obwohl ich nicht weiß, ob sie unbedingt dein Stil sind, aber sie sind alle gewaschen und gebügelt. Und wenn das Baby kommt, kannst du auch Fläschchen, Sterilisator und den ganzen Kram haben, es liegt alles ordentlich in Kartons verpackt in der Wohnung, du brauchst es nur zu sagen.
    - Ein Tonband würde schon reichen, obwohl, besser wäre ein Video. Bring deinen kleinen Bullen dazu, nochmal alles zu sagen. Aber es muss etwas sein, das Beweiskraft hat.
    Jasper trat hinzu und riss Petra hoch, bis sie vor ihm stand.
    - Petra, sagte er, hör endlich auf damit. Das Thema hatten wir schon, und du hast versprochen, nicht wieder davon anzufangen. Wenn ich gewusst hätte, dass du das vorhast, hätte ich sie gar nicht erst hergeholt.
    - Toll, sagte Petra. Und wenn du ein besserer Vater wärst und weniger koksen und dich mehr mit investigativem Journalismus beschäftigen würdest, müsste ich das alles gar nicht tun.
    - Das ist unfair, sagte Jasper.
    - Scheiß drauf, sagte Petra.
    Sie wandte sich mir zu. Ich stützte mich auf der Armlehne des Sofas ab. Mein Kopf fühlte sich an wie ein Milchbrötchen mit Zuckerguss, weich und rosa von Alkohol und Tabletten.
    - Jasper und ich hatten darüber eine kleine Debatte, sagte Petra. Wir halten es für das Beste, wenn ich die Story ins Blatt bringe, Jaspers Glaubwürdigkeit hat in letzter Zeit doch ziemlich gelitten. Ich möchte, dass du mir dabei hilfst.
    - Und warum das? Petra zuckte die Achseln.
    - Weil Jasper ein elender Feigling ist. Weil ich richtig Karriere machen kann, wenn es klappt.
    - Warum du die Story machen willst, wollte ich gar nicht wissen, sondern nur warum ich dir dabei helfen sollte? Aber Petra war nicht zu bremsen.
    - Weil ich dafür zahle. Oder vielmehr die Zeitung. Sie zahlt für deine Zusammenarbeit. Du könntest ein völlig neues Leben anfangen. 50 Riesen sind da durchaus drin.
    - Nein.
    - Sogar 100.
    Petra, hör zu. Du bist schwanger. Das ist immer ein Schock. Warum ruhst du dich nicht aus, und wir vergessen das Ganze?
    -Ach komm, sagte Petra. Erzähl mir nicht, eine Frau in deiner Lage könnte ernsthaft eine solche Summe

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