Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
Vom Netzwerk:
für Leute, die nach mir suchen? Was wollen sie?
    - Nichts Gutes, sagte Jasper. Aber vielleicht wird am Ende al les nicht so schlimm. Du bist ein kleiner Fisch. Vermutlich wollen sie dich nur ein bisschen einschüchtern. Falls du auf die Idee kommst, die Geschichte jemand anders anzubieten. Wenn’s dich tröstet, das alles ist nichts im Vergleich zu dem, was sie mit Terence Butcher anstellen werden. Den werden sie in ein Loch werfen, das so tief ist, da könntest du heute eine Schachtel Kippen reinwerfen, und Weihnachten hätte er noch immer nichts zu rauchen.
    - Jasper, wir müssen schnell machen, hier blinkt schon die Anzeige. Was willst du jetzt tun?
    Jasper lachte durch die Leitung. Es war ein hartes, hässliches Lachen, das mir im Trommelfell wehtat.
    - Ich tue das, was jeder anständige Engländer in diesem Fall machen würde, sagte er. Ich jage das Parlament in die Luft.
    - Bitte, Jasper, das ist nicht zum Lachen.
    - Willst du dabei sein?, fragte er. Dann treffen wir uns in einer Stunde am Parliament Square. Soll ich dir deine –
    Dann war die Leitung tot.

 
    I CH HATTE KEIN G ELD mehr für den Bus, deshalb ging ich zu Fuß nach Westminster. Es regnete leicht, und der Himmel war so schwer und düster, dass man Kopfschmerzen bekam. Immerhin hatte ich jetzt ein Ziel. Ich war gespannt auf Jasper, auch wenn er wohl endgültig einen an der Waffel hatte. Auch mein Junge fühlte sich viel besser. Auf dem Trafalgar Square rannte er lachend den Tauben hinterher und versengte mit seinen Händen ihre nassen Schwanzfedern.
    Jasper war schon da, als ich am Parliament Square ankam. Er saß auf einem pinkfarbenen Koffer unter der großen schwarzen Churchill-Statue, an der einzigen Stelle, die halbwegs trocken geblieben war. Ich lief über die Straße, Jasper stand auf, und wir lagen uns in den Armen, umgeben vom höllisch lauten Verkehr auf der nassen Straße. Jasper stank nach Whisky. Dann ließen wir uns los und schauten uns an. Jasper zog seine Camel Lights aus der Tasche, und beide rauchten wir erst mal eine – ich mit einer Hand, die wie eine Nähmaschine zitterte.
    - Mann, siehst du scheiße aus, sagte Jasper.
    - Danke.
    - Tja, sagte Jasper. Petra hat uns reingelegt. Ich zuckte die Achseln.
    - Sieht so aus.
    - Ich vermisse sie trotzdem, sagte Jasper. Das wundert mich am meisten. So viel zu mir als herzlosem Monster.
    - Zu mir warst du immer nett.
    - Nicht immer, sagte Jasper. Ich war verknallt, verwechsle das nicht mit Nettigkeit.
    Ich lächelte ihn an.
    - Deine Bankkarte habe ich dir übrigens nicht mitgebracht.
    - Oh.
    - Aber du kannst meine haben, sagte er. Ich brauche sie nicht mehr. Die PIN-Nummer habe ich auf die Rückseite geritzt. Ein paar Tausender kannst du noch abheben. Kein Vermögen, aber genug, um wieder auf die Beine zu kommen.
    Er griff in seine Hosentasche und gab mir die Karte. Ich starrte ihn an.
    - Was hast du vor?
    - Weißt du, wenn ich mein Leben so betrachte, dann besteht wenig Grund zur Begeisterung. Es stimmt, ich hatte ein gewisses Talent, aber das habe ich mir die Nase hochgezogen. Und ich habe mich leicht vom System vereinnahmen lassen. Aber selbst für jemanden wie mich gibt es einen Punkt, an dem der Stolz stärker ist. Und so einfach, wie die sich das gedacht haben, sollen sie mir nicht davonkommen. Von jetzt an herrscht Krieg.
    Er blickte auf den Koffer zu unseren Füßen.
    - Siehst du das hier? Das ist das, wovor diese Beamtenärsche am meisten Angst haben. In diesem Koffer sind fünf Stangen Dynamit und ein Einmachglas voller Strontium 90 und Cäsium 137, alles von al-Qaida-Sympathisanten zusammengeklaut aus Krankenhäusern und Fabriken im ganzen Nahen Osten.
    -Aber das stimmt doch nicht. Das ist bloß Petras Luis-Vuitton-Koffer.
    - Du weißt das, sagte Jasper. Und ich weiß das. Aber für den Rest der Welt ist es eine schmutzige Bombe. Sollte dieses Ding hier losgehen, strahlt Westminster bis in die nächste Eiszeit. Ich rufe gleich die Polizei an und sage es ihnen. Und sie werden mir glauben, weil ich dasselbe Codewort verwende wie die Terrorzelle vom 1. Mai, das, das Terence dir bei eurem Bettgeflüster verraten hat. Nach der Polizei rufe ich die BBC an. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist mir damit sicher.
    - Mensch, du bist vollkommen plemplem. Wozu denn das alles?
    - Ich sage ihnen, die Bombe geht hoch, wenn sie mir kein Kamerateam vorbeischicken. Und dann, live, unzensiert und in Farbe, sage ich der Welt, was am 1. Mai wirklich passiert ist.
    - Nein, Jasper. Bitte, tu das

Weitere Kostenlose Bücher