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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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der Gironde 1940 und aus Paris 1945, Briefe von Léger und Matisse an meinen Großvater aus dem Jahr 1939, Gerichtsurteile in Prozessen, die die Familie gegen einige Diebe geführt – und gewonnen – hat, und Briefe, so viele Briefe in Pauls akkurater Schrägschrift, in denen endlich ein wenig von ihm selbst zu ahnen ist.
    Sie stammen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit und zeugen von der Obsession seines Lebens, seinen Bildern, die er liebte wie lebendige Wesen, vom Kampf um ihre Rückerstattung, der ihn so viele Mühen kostete, von seinem Willen, seine Rechte geltend zu machen und seinen Kindern ein bequemes Leben zu ermöglichen. Viel Schamhaftigkeit in diesen Briefen, was das Persönliche betraf, ein paar schüchterne Gefühlsäußerungen gegenüber seinem Sohn Alexandre, der ihm seit den Fünfzigerjahren die Sorgen um die Galerie abnahm, und seiner Tochter Micheline, die weit von ihm entfernt in Paris wohnte, und schließlich seiner Enkelin Anne, die er »mein liebstes Schätzchen« nannte und die, Worte eines Großvaters, mit fünf Jahren alle Vorzüge hatte, die ein außergewöhnliches Kind nur haben kann!
    Unmengen Fotos, die für mich ganz irreal wirken. Der sehr magere und ferne alte Herr meiner Kindheit taucht auf diesen Fotos als junger Mann auf, schon damals sehr dünn in seinem gestreiften Badeanzug, wie er 1925 in einem Schwimmbad in Monte-Carlo (chic, unbedingt chic) meiner Mutter beibringt, den toten Mann zu machen. Oder 1930 mit seiner Frau und den beiden Kindern auf der Eisbahn in Sankt Moritz (chic, immer chic), mit Kniebundhosen und vom Wind zerzaustem Haar.
    War er zärtlich, war er fröhlich, dieser Großvater, der zuerst Vater gewesen war, ein Papa, der sich nie so nennen lassen wollte und von seinen Kindern verlangte, dass sie ihn Paul nannten? Das schockierte die sanfte Marguerite Blanchot, die fünfzig Jahre lang bei meinen Großeltern beschäftigt war. Sie sagte immer: »Die Leute werden noch denken, dass Monsieur nicht der Vater der Kinder ist!«
    Paul war tatsächlich ein ängstlicher und schamhafter, zurückhaltender Vater, der sich seiner geliebten Tochter eher in Briefen als in Gesprächen öffnete.
    In den Fünfzigerjahren beklagte er sich, wie er es sein Leben lang tat, jetzt aber mit immer weniger Zurückhaltung, über seine schlechte Gesundheit und seine Geschäfte, die gut gingen, für seine Begriffe aber miserabel waren. Er machte sich Sorgen wegen der instabilen IV. Republik und über den Koreakrieg, der jeden Moment eskalieren könne, beschwor meine Mutter, mit Mann und Tochter noch einmal Zuflucht in New York zu suchen, schlug sogar vor, nach Argentinien zu gehen, das von dem Teil der Familie, der dorthin emigriert war, als das künftige Eldorado beschrieben wurde. Ausgerechnet nach Argentinien, wie so viele alte Nazis? Noch einmal fliehen, obwohl keine reale Bedrohung bestand? Noch einmal ein Immigrantenleben, weit, immer weiter weglaufen vor einer Gefahr, die doch verschwunden war?
    Die Klarsicht hat gesiegt. Zur Erkundung nach Perons Buenos Aires gereist, kehrte mein Großvater schnellstens zurück und ließ die Koffer wieder auspacken. Hat er vorausgeahnt, dass das einst reichste Land Südamerikas (vor dem Zweiten Weltkrieg war Argentinien die fünfte Weltmacht) schon bald von autoritären Regimes, blutigen Diktaturen und einer galoppierenden Inflation in den Ruin getrieben würde?
    Seine Angst vor der Zukunft blieb. Dass der Nazi-Albtraum zu Ende war, verschaffte ihm weder Erleichterung noch gar Sorglosigkeit. Als könnte alles, was er war, bei jedem internationalen Zwischenfall wieder infrage gestellt werden: seine Identität, seine Familie. Die Briefe, zum großen Teil den Vorkehrungen gewidmet, die er treffen wollte, damit meine Mutterund ihr Bruder die Galerie halten konnten, spiegeln das Anliegen, das sein ganzes Leben beherrschte: in einer barbarischen Welt die zeitgenössische Kunst zu fördern und für sie zu werben.
    Er bat seinen Sohn, die Galerie weiterzuführen, was Alexandre bis zu seinem Tod 1986 auch gewissenhaft tat. Seine Schwester, meine Mutter, sollte ihm blind vertrauen. Und vor allem, vor allem sollte zwischen seinen beiden Kindern immer Eintracht herrschen. Dieser Wunsch wurde noch über seine Ratschläge hinaus erfüllt. Mein Onkel Alexandre hielt das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte, so gut, dass er auf seine Schwester oft mehr Rücksicht nahm als auf seine eigene Familie.
    Alexandre war ein Ästhet, der erste Präsident des

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