Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
Vom Netzwerk:
schnitt Paul von seinen Künstlern ab wie der Erste Weltkrieg Kahnweiler von den seinen. Sie verdienten ihr Vermögen im Abstand eines Krieges. Pauls Ruhm in der Kunstwelt begann nach dem Ersten Weltkrieg zu steigen, Kahnweiler erwarb sich den seinen vor allem nach der Befreiung, als er wieder die Vertretung der Künstler übernahm, die ihn in den Zwanzigerjahren verlassen hatten, und insbesondere zum offiziellen Händler Picassos wurde.
    Persönlich scheinen die beiden Männer keine gute Beziehung gehabt zu haben. In Pauls Hinterlassenschaft habe ich nichts Unfreundliches über Kahnweiler gefunden, doch wie Assouline schreibt, urteilte umgekehrt Kahnweiler hart über all seine Kollegen, auch über meinen Großvater. Er war sicher wütend und verletzt wegen des Verhaltens von Léonce Rosenberg, der Kahnweilers kubistische Maler an sich gezogen hatte, als dieser im Ersten Weltkrieg im Schweizer Exil war. Zudem hatte Léonce in den Zwanzigerjahren die Expertise für die Liquidation des Besitzes von Kahnweiler erstellt, den der französische Staat wegen dessen deutscher Staatsangehörigkeit im Ersten Weltkrieg konfisziert hatte. Aber Kahnweilers Härte erstreckte sich Assouline zufolge auch auf Léonces Bruder Paul, über den er sich ziemlich abfällig geäußert haben soll.
    Paul, der Bilder aus dem 19. Jahrhundert verkaufte, um solche aus dem 20. kaufen zu können und den Künstlern Geld zum Leben zu verschaffen, hatte beschlossen, mehr Mittel aufzuwenden als andere Händler, um die Maler zu finanzieren, die er unter Vertrag nahm. Er wollte die Künstler (vor allem Picasso, Braque, Léger und Matisse) so großzügig ausstatten, dass sie frei waren zu malen. Kahnweiler, dem Picasso – zu Unrecht? – nachsagte, er sei knauserig, setzte seine Ehre darein, sie nicht besonders teuer zu bezahlen und niemals höher zu bieten.
    Als Léger zu ihm kam und sagte: »Paul Rosenberg gibt mir doppelt so viel wie Sie«, antwortete Kahnweiler: »Sehr gut, dann gehen Sie zu Rosenberg.«[ 3 ] Sodass in den Zwanziger- und Dreißigerjahren Picasso, Braque und Léger (sogar Masson nach 1930 eine Zeit lang) einen Vertrag mit Paul unterschrieben, Vlaminck zu Bernheim-Jeune und Derain zu Paul Guillaume ging. Bei Kahnweiler blieben nur sein Freund Juan Gris, der ständige Rivale Picassos, und einige weniger bedeutende Künstler.
    Man kann verstehen, dass Kahnweiler deswegen verärgert war, aber Paul hatte sich entschieden, den zeitgenössischen Künstlern Geltung zu verschaffen, also sorgte er für ihre Bequemlichkeit und ihren Ruhm. Und er war einer von denen, die das goldene Zeitalter der französischen Malerei in der Zwischenkriegszeit verkörperten. Denn, schreibt Michael Fitzgerald im Zusammenhang mit Paul, »der Markt spielte keine unbedeutende Rolle in der Entwicklung der modernen Kunst, er war ein zentraler Faktor«.[ 4 ]
    Dass Picassos Kunst sich ab den Zwanzigerjahren ständig weiterentwickelte, war auch Paul zu verdanken, der ihn förderte und dazu anregte, in seiner Arbeit neue Wege zu gehen. Pauls Gespür dafür, dass die turbulenten Strömungen des 20. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit früheren Epochen der französischen Malerei brauchten, hat den zeitgenössischen Malern gut getan. Gewiss besser, als den Kubismus, und nur den Kubismus, zu verfechten. Wie die amerikanische Presse sehr oft hervorgehoben hat, war Paul bis zum Zweiten Weltkrieg der größte Kunsthändler Europas, mit Werken von Delacroix bis Picasso. »Stellen Sie sich vor«, schrieb in den Vierzigerjahren eine große kalifornische Zeitung, »zweimal im Jahr ins Atelier von Matisse und Picasso gehen zu können, vierzig ihrer besten Gemälde anzuschauen und zu sagen: ›Ich nehme sie alle‹! Das tat bis zum Krieg Paul Rosenberg.«
    Kahnweiler und Rosenberg unterschieden sich auch in ihrer Politik gegenüber Museen. Kahnweiler, der sicher verbittert war über die jahrelange Beschlagnahmung seines Vermögens und meinte, dem Staat wider Willen schon genug überlassen zu haben, »machte nicht gern Schenkungen an Museen. Da hatte seine Großzügigkeit ihre Grenze.«[ 5 ] Paul hingegen war sehr freigebig. Er war Amerika dankbar, dass es ihn 1940 als Flüchtling aufgenommen hatte, und schenkte viele seiner Bilder (von Picasso, Renoir und van Gogh) amerikanischen Museen, in New York und anderswo. Und später, glücklich darüber, dass er viele der gestohlenen Bilder zurückerhielt, überließ er dem französischen Staat – vor allem dem Pariser Musée d’Art

Weitere Kostenlose Bücher