Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)
Jahrhundert dasselbe getan. Auch van Gogh und Gauguin wussten, wie der Markt funktioniert. Ambroise Vollard hat nicht nur den Impressionismus durchgesetzt, er war nicht nur der Händler von Cézanne und Gauguin, sondern er vertrat auch ihre Interessen. Durand-Ruel trug ebenfalls zur Durchsetzung des Impressionismus bei, den er liebte, und setzte dafür andere Qualitäten ein als die des bloßen Händlers.
Paul war also Händler, wie sie. Und ein Händler, der Erfolg hatte, obwohl er seinen ästhetischen Erwägungen immer Vorrang vor den kommerziellen einräumte.
Seine Leidenschaft für die moderne Malerei hat sich erst nach und nach entwickelt. Das war auch bei Kahnweiler der Fall, der nicht von Anfang an eine Neigung zur zeitgenössischen Kunst hatte. Er war zunächst Bankier, mit der Kunst nicht sehr vertraut, und seine Begeisterung für die Maler seiner Zeit war »die Frucht eines langen Reifungs-, Lern- undGewöhnungsprozesses«, wie sein Biograf Pierre Assouline schreibt.[ 1 ]
Die Parallele zwischen diesen beiden Männern ist interessant, da ihr Bild in der Kunstwelt so viel gilt. Pierre Assouline zeichnet ein schönes Porträt von Daniel-Henry Kahnweiler, der schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein begabter Händler war, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg wirklich erfolgreich wurde. Ein sehr ähnlicher Charakter wie Paul Rosenberg, zumindest wie ich ihn sah: »sachlich«, »gebieterisch«, »hart in beruflichen Dingen«, »etwas altmodisch«, »empfänglich für jede Speichelleckerei und maßlos stolz«.
Sie kamen auch aus ähnlichen Verhältnissen, aus einer Kunsthändlerfamilie der eine, der andere aus einer rechtsrheinischen Bankiersfamilie, beide aus dem wohlhabenden Bürgertum. Beide begriffen, was für eine Revolution die Malerei des 20. Jahrhunderts war, auch wenn Paul mehr Geschmack an Picasso und Braque fand, Kahnweiler dagegen eher an Juan Gris, seinem großen Freund, und Vlaminck.
Beide haben es abgelehnt, die Surrealisten in ihre Galerie aufzunehmen, weil sie beide der Meinung waren, dass diese Bewegung in der Literatur legitim und neuartig war, nicht aber in der bildenden Kunst. Beide kümmerten sich nicht um Dalí und Max Ernst, Miró und Magritte.[ 2 ]
Und schließlich lehnten es beide ab, ihre Erinnerungen zu schreiben. Paul vermutlich, weil er es für vulgär und unangemessenhielt. Und Kahnweiler schrieb nie die Autobiografie, die sein Leben verdient hätte, sondern unter anderem ein bis heute maßgebliches Buch über Juan Gris.
Aber damit enden die Ähnlichkeiten. In anderer Hinsicht waren die beiden sehr verschieden.
Zunächst in der Einstellung zu den historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Paul, 1914 einberufen, war Soldat gewesen, in den Dreißigerjahren verfolgte er die politischen Entwicklungen mit großer Sorge, kämpfte 1939 für den Boykott des Kunstausverkaufs durch die Nazis und musste 1940 vor den Deutschen fliehen. Kahnweiler war ein hartnäckiger Pazifist und weigerte sich – was sehr mutig war! – im Ersten Weltkrieg, auf einer der Seiten zu kämpfen; er war ein erbitterter Gegner der Nazis, aber er wollte bis zum Tag vor dem deutschen Überfall auf Polen nicht an einen Zweiten Weltkrieg glauben und schaffte es, sich bis zur Befreiung in Frankreich versteckt zu halten. Er verkaufte seine Galerie an seine Schwägerin, Louise Leiris, eine Katholikin aus Burgund, und konnte sich so während der Besatzung einen gewissen Wohlstand bewahren.
Rosenberg und Kahnweiler hatten auch eine unterschiedliche Laufbahn: Paul, der sich mit der impressionistischen Malerei schon einen Namen gemacht hatte, wurde nach dem Ersten Weltkrieg mit der Kunst der Moderne berühmt. Kahnweiler engagierte sich schon vor ihm, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, für die zeitgenössische Kunst und schuf sich darin rasch einen guten Ruf. Dann aber folgte ein langer Marsch durch die Wüste, und erst nach 1945 kam der große Erfolg. Zu dieser Zeit war Paul nicht mehr in Frankreich.
Paul ahnte schon sehr früh, dass die Vereinigten StaatenEuropa ablösen würden, sowohl was den Kunstmarkt als auch was neue künstlerische Anstöße betraf, und bemühte sich ab 1922, den Amerikanern die moderne Kunst nahezubringen. Daniel-Henry Kahnweiler blieb sein Leben lang überzeugt, dass Paris die Welthauptstadt der Kunst sei, und glaubte bis zu seinem Tod an die Vorherrschaft des alten Europa.
Die historischen Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts wiederum spielten beiden ähnlich mit: Der Krieg von 1940
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