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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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nach dem Krieg selbst eine Galerie eröffnen wollte, schrieb er ihr: »Mach nicht den gleichen Fehler wie Dein armer Vater und beschränke Dich nicht auf die avantgardistische Kunst. Mische Deine Ausstellungen so, dass sie alle Kunden anspricht, sowohl die fortschrittlichen als auch die konservativeren. Eine Galerie nur mit Kunst führen zu wollen, die ihrer Zeit voraus ist, ist eine Sackgasse, wenn man kein Geld hat. Man muss es nach und nach angehen.«[ 7 ]
    So hat Paul selbst angefangen, und vor ihm schon sein Vater.
    Mein Urgroßvater Alexandre war Getreidehändler. Weit, sehr weit entfernt von der Kunst. Als er eines Tages wegen einer havarierten Ladung bankrottging, beschloss er, seine letztenErsparnisse zu verschwenden und sich endlich mit dem zu umgeben, was er wirklich liebte, »Kunstgegenstände und Kuriositäten«. Er sagte dem Getreidehandel Adieu und wurde Antiquitätenhändler in der Avenue de l’Opéra 38.
    Ich habe mir lang die Fassade dieses uninteressanten Gebäudes angeschaut. Es liegt am Ende der Avenue, fast an der Place de l’Opéra, eines jener Häuser, in denen heute Versicherungen und Fluggesellschaften ihre Büros haben. Eine Kunstgalerie kann ich mir schwer vorstellen an diesem Ort, der im Schatten der Opéra Garnier liegt und vor allem für Firmenniederlassungen und Touristen auf der Suche nach Duty-Free-Shops bestimmt scheint.
    Eines Tages ersteigerte der frischgebackene Antiquitätenhändler Alexandre Rosenberg in der Salle Drouot für 87,50 Francs ein Bild, das ihm gefiel. Es war ein Sisley, das erste impressionistische Gemälde, das er nach Hause brachte, zu einer Zeit, als fast niemand außer Ambroise Vollard und besonders Paul Durand-Ruel das Wesen dieser neuen Richtung verstand. Die großen Kämpfe zu ihrer Durchsetzung waren zwar vorbei, aber das Publikum war noch nicht so weit. Neugierig geworden auf die neue Bewegung, entdeckte mein Urgroßvater Manet, Monet, Renoir und verliebte sich in diese Malerei.
    Wahrscheinlich war es das, was mich mit dem Wort Händler versöhnt hat: Mein Urgroßvater, der mit nichts angefangen hatte, holte die fehlende Kunstbildung nach, indem er auf seinen eigenen kühnen Geschmack vertraute. Geht es dann wirklich nur ums Geschäft? Die Bilder, die er kaufte – und schlecht verkaufte –, waren die Werke von illustren Unbekannten. Es war vor allem eine Leidenschaft, die zum Beruf wurde.
    Der einzige Textentwurf seines Sohnes Paul, meines Großvaters,war der Anfang einer Autobiografie, die er wohl während des Kriegs in New York begann, aber aus Zeitmangel, Schamhaftigkeit und Schüchternheit nie vollendete.
    »Eines Tages [als ich etwa zehn Jahre alt war], führte [mein Vater] mich vor das Schaufenster eines Händlers in der Rue Le Peletier, um mir ein Bild zu zeigen, bei dessen Anblick ich entsetzt aufschrie. Stellen Sie sich ein sehr gedrungenes Bild in grellen Farben vor, auf dem ein mit rotem Stoff bedecktes hölzernes Bett, ein gewöhnlicher Holztisch mit einem Wasserkrug und einer Schüssel und an der Wand hängende unförmige Kleider zu sehen sind. Der Fußboden schien mir bucklig, und die Möbel machten den Eindruck, als ob sie tanzten und – wie in einem Zeichentrickfilm – aus dem Bild herausspringen und durchs Fenster fliehen wollten. Mein Vater beruhigte mich und sagte: ›Ich kenne diesen Künstler nicht, außerdem ist das Bild nicht signiert, aber ich werde mich erkundigen, denn ich möchte es kaufen.‹ Es war ein van Gogh und hängt heute im Art Institute in Chicago, dem ich es – Ironie des Schicksals – etwa dreißig Jahre später selbst verkaufte.«[ 8 ]
    In die Impressionisten, in van Gogh und Cézanne flossen alle Ersparnisse von Alexandre Rosenberg, was seine Frau wahnsinnig machte. »Meine Mutter«, erzählt Paul in diesem Entwurf einer Familiengeschichte, »behauptete, ihr Mann sei verrückt geworden und ruiniere seine Kinder. ›Was werden unsere Freunde und Kunden nur denken‹, seufzte sie. Den Höhepunkt erreichte ihr Zorn, als ein van Gogh und ein Cézanne ins Haus kamen. Sie schrie auf der Treppe: ›Kinder, euer Vater wird immer verrückter, er kauft Vannn Govogh und CesAnes‹.[ 9 ] Und tatsächlich, alle, die zu uns kamen, brachen vor einem gelben oder blauen Monet in Gelächter aus, obwohl sie Sammler oder Kenner waren, und sagten, in der Natur gäbe es kein Äquivalent dafür. Eines Tages beim Mittagessen klingelte das Telefon. Mein Vater nahm den Hörer ab. ›Wie viel ich für meinen Cézanne will? 6000

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