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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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zog die Hand weg und wandte mich ab. Sie blieb einen Augenblick lang still sitzen. Dann lehnte sie sich herüber und küßte mich hart auf den Mund, und sie hinterließ das berauschende Aroma von teurem Lippenstift, Oregano und Chianti auf meinen kalten Lippen. Für einen Moment schloß ich die Augen... und jetzt, wo sie tot war, wünschte ich so sehr, ich hätte sie wiedergeküßt. Ihre nackte Leiche hatte dagelegen, so kalt und feucht wie die Hundenase, die sich schnüffelnd über den Strand hinweg auf sie zubewegt hatte; ihr Kopf war zurückgebogen, der Mund voll von dem gleichen silbrigen Sand, der auch die Augen wie im Schlaf erfüllte. Arme Carla — zu glücklich, um zu schreien, zu high, um zu schwimmen, zu gefühllos, um zu spüren, wie ihr das Wasser in den Mund schwappte und die Kälte ihr Herz ergriff. Ganz von Sinnen, weit hinaus in die Dunkelheit gerauscht, weg von den Partylichtern, die hell in der weißen Villa funkelten, weg von Musik und Gelächter, die im warmen Wind tanzten.
    Sie hatte zu Weihnachten nach Hause fahren wollen, aber Christian Dexter hatte sie in seine weiße Villa eingeladen, die in reicher Abgeschiedenheit inmitten von Wolken roter und violetter Bougainvillen oben auf den hohen spanischen Klippen stand. Der dunkle Swimmingpool unter der weitläufigen, halbkreisförmigen Terrasse lag tief genug, um von den atlantischen Brechern aufgefrischt zu werden, die bei Flut gegen die Felsen brandeten. Die Party hatte die ganze Nacht gedauert, und irgendwann frühmorgens war Carla hinunter zum Pool gegangen, um zu schwimmen.
    Ich lag zu Hause im Bett, sicher, warm und leicht verkatert, als ich von Carla erfuhr. Ich hatte in meinem Digital-Radiowecker hintereinander drei ihrer Songs gehört.
    Der DJ mußte es noch bestätigen. »Ja, drei Songs hintereinander im Gedenken an die von allen geliebte Carla Blue, den wahrscheinlich vielversprechendsten jungen Star ihrer Generation. Sie ist traurigerweise heute in den frühen Morgenstunden gestorben.«
    Es war ein goldener, strahlender Herbstmorgen, und die Sonne beleuchtete die schmutzig staubigen Kringel, die alte Regentropfen auf der Fensterscheibe hinterlassen hatten. Ich lag elend im Bett und hatte das Radio an. Es war mein erster Arbeitstag.
    Der erste Auftrag, den ich seit über zwei Jahren erledigt hatte, und es war ein PR-Job gewesen, nicht mal ein richtiger Job, eher eine Gefälligkeit, die ich jemandem erwiesen hatte. Warum hatte ich so lange gebraucht, wenigstens dazu zu kommen? Hatte ich wirklich aufgegeben? Zwei Jahre lang nichts, zwei verschwendete Jahre, und wer war schuld? Manchmal schob ich die verplemperte Zeit auf meine Scheidung, manchmal auf die Männer, die ich danach zu lieben versucht hatte, manchmal auf meine alten Arbeitgeber — aber hauptsächlich gab ich mir selbst die Schuld, weil ich mir das alles so nahegehen ließ. Die Enttäuschungen hatten mich zerschmettert. Mein Mann war eine Enttäuschung gewesen, ebenso meine Liebhaber, mein Job und ich, ich war auch eine Enttäuschung gewesen. Ich hatte gedacht, ich könnte alldem mit hochgerecktem Mittelfinger begegnen und es beinhart durchstehen, aber das konnte ich nicht. Und jetzt wollte ich wieder rein, wollte arbeiten, etwas tun, denn eigentlich gab es nicht viel Besseres, und das Gras auf der anderen Seite des Hügels war auch nicht grüner.
    Und jetzt war sie fort. Sechs Monate hatten wir nicht miteinander gesprochen. Sie hatte einmal angerufen, und ich hatte mir ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter vorgespielt. Die Tournee sei eine Strapaze, und ich sollte mich in Chicago mit ihr treffen. Ich hatte zurückgerufen, aber ich mußte sie verpaßt haben, und das Schlimmste war, daß ich darüber froh war.
    Jetzt stand ich in einem sonnigen Grafik-Atelier in Surrey und betrachtete Carlas Gesicht auf der Hülle ihres neuen, unveröffentlichten Albums Seethru, und ich hatte dicke, wäßrige Tränen in den Augen. Ich konnte es kaum ertragen, das Cover anzuschauen. Carlas weißes Gesicht, zur Seite gedreht, den Kopf vor dem nachtschwarzen Hintergrund zurückgelegt, die schweren Lider geschlossen über den schokoladenbraunen Augen, die klebrigen, pflaumenroten Lippen geöffnet, so daß man einen Blick auf die zuckerweißen Zähne und eine rosige Zunge erhaschen konnte. Was sie trug, hatten wir den »Ich mein’s ernst«-Look genannt, wenn wir es nicht ernstgemeint hatten. Ein Band aus roten Chiffon floß wie Plasma aus ihrem kurzen goldenen Haar über den weißen Hals und ließ

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